Binasale Okklusion bei teilakkommodativem Strabismus convergens
Zweck: Beschreibung der Anwendung binasaler Okklusion zur Behandlung eines teilakkommodativen Strabismus convergens und abnormaler sensorischer Fusion bei einem Kleinkind.
Material und Methoden: Binasale Okklusion in Form einer transparenten Haftfolie, die so auf die Brillengläser des Kindes angebracht wurde, dass ihr temporaler Rand die Pupille beider Augen halbierte.
Ergebnisse: Verbesserung des teilakkommodativen Strabismus convergens mit abnormaler sensorischer Fusion zu einer Esophorie mit guter sensorischer Fusion.
Fazit: Die binasale Okklusion ist eine effektive Behandlungsmethode bei jungen Patienten mit teilakkommodativem Strabismus convergens.
Purpose: Utilization of binasal occlusion in the treatment of partly accommodative esotropia and abnormal sensory fusion in a toddler is described.
Material and Methods: Binasal occlusion in the form of translucent adhesive tape was applied to the child’s glasses such that its temporal border bisected the pupil of each eye.
Results: Partly accommodative esotropia with abnormal sensory fusion improved to esophoria with good sensory fusion.
Conclusion: Binasal occlusion is an effective tool in a young patient with partly accommodative esotropia.
Einleitung
Frühkindlicher Strabismus convergens kann verschiedene Ursachen haben, darunter eine unkorrigierte Hyperopie. Da jedoch nur einige hyperope Kinder auch eine Esotropie entwickeln, wäre es präziser davon zu sprechen, dass diese in Zusammenhang mit einer unkorrigierten Hyperopie stehen kann.1 Es gibt zwei Arten von Esotropie, die mit Hyperopie einhergehen.2 Diese lassen sich im Rahmen einer Refraktion und anschließenden Verordnung einer Brille zur Korrektion der Hyperopie, unterscheiden. Bei einer refraktiven akkommodativen Esotropie wird der Schielfehler durch die Verordnung eines vollkorrigierenden Brillenglases aufgehoben. Kann die Brille die Esotropie nicht vollständig korrigieren, spricht man vom zweiten Typ, dem teilakkommodativen Strabismus convergens.
Es wird angenommen, dass ein teilakkommodativer Strabismus convergens die Folge eines zu späten Behandlungsbeginns sein könnte.3 Die hypothetische Ursache für dieses suboptimale Ergebnis liegt in der Verzögerung des Brillentragens begründet und wird in Bild 1 verdeutlicht. Wird die Esotropie über Monate oder Jahre hinweg nicht korrigiert, kommt es zu sensorischen Fehlanpassungen, wie Suppression und/oder anomaler retinaler Korrespondenz (ARK), die sich dauerhaft einprägen. Wird schließlich eine Brille verschrieben, überlagern die sensorischen Fehlanpassungen teilweise oder vollständig das divergente motorische Signal der Plusgläser und die Esotropie bleibt bestehen. Bild 1 zeigt mögliche Faktoren, die zu einer Verzögerung bei der Behandlung führen können. Die Wahrscheinlichkeit für eine Entwicklung nach Pfad A der Abbildung, ausgehend von einem zu Beginn kosmetisch nicht auffälligen Strabismus convergens mit kleinem Schielwinkel, wird dadurch erhöht, dass eine Esotropie mit kleinem Schielwinkel mit einer größeren Neigung zu anomaler retinaler Korrespondenz assoziiert ist.2 Darüber hinaus bleiben kleine Schielwinkel häufig unentdeckt, was zu einer Verzögerung bei der Behandlung führt.
Letztere Ätiologie ist bislang eine Hypothese. Eine Erklärung gemäß dem Occam‘s Razor-Prinzip ist, dass sich die Esotropie aufgrund eines niedrigen AC/A-Quotienten ohnehin zu einem teilakkommodativen Strabismus convergens entwickelt hätte.2 Das Ausmaß der Hyperopie/Esotropie und die Vorgeschichte der Diagnose und Behandlung haben keinen Einfluss auf die endgültige Diagnose. Weiterhin wird vermutet, dass eine zu späte Versorgung mit einer Brille zur Hyperopiekorrektion Auswirkungen auf den Musculus rectus medialis haben kann, sodass sich eine nicht akkommodative Eso-Abweichung entwickelt.2 Bei dieser Interpretation werden muskuläre Veränderungen, und nicht etwa sensorische Fehlanpassungen, als Hauptursache angesehen. Eine Unterstützung für Überlegungen, dass sensorische Fusionsanomalien aufgrund einer Brillenverzögerung zu einer refraktiven akkommodativen Esotropie führen können, kann gefunden werden, wenn versucht wird, die sensorischen Fehlanpassungen zu beseitigen. Die Behebung der sensorischen Fusionsanomalien, insbesondere der anomalen Korrespondenz, kann eine teilweise akkommodative Esotropie in eine refraktive akkommodative Esotropie umwandeln. Dieser Fallbericht zeigt genau dieses Ergebnis. Nach Anwendung der binasalen Okklusion 4 als Behandlungsmethode zur Normalisierung der sensorischen Fusion entwickelte sich ein teilakkommodativer Strabismus convergens zu einer vollständig akkommodativen Esotropie.
Fallbericht
Anamnese
„CJ“, ein 31 Monate altes Mädchen, wurde von ihren Eltern, die sich eine Zweitmeinung bezüglich einer nicht-operativen Behandlung des Strabismus convergens ihrer Tochter einholen wollten, vorgestellt. Die Augenbehandlung von CJ begann im Alter von 16 Monaten, als die Eltern feststellten, dass ihre Tochter schielte. Dieses Schielen begann als ungleichmäßige, nicht konstante Fehlstellung der Augen nach innen, welche sich langsam verschlechterte. Wie in Tabelle 1 dargestellt, wurde bei CJs erster Augenuntersuchung im Alter von 17 Monaten eine konstant alternierende Esotropie der Stärke 25 cm/m Basis außen, kombiniert mit einer hohen Hyperopie, diagnostiziert. Es wurde eine Brille (+6,50 dpt / +7,00 dpt) zum permanenten Tragen verschrieben. Aufgrund einer Reihe komplexer Umstände, darunter ein schlecht angepasstes Brillengestell, das kein regelmäßiges Tragen der Brille erlaubte, konnte CJ die Brille erst im Alter von 20 Monaten – also vier Monate nach Auftreten des Strabismus convergens – regelmäßig und dauerhaft tragen. CJ akzeptierte die Brille bereitwillig und trug sie, wie verordnet, ständig. Mit der Brille wurde das Schielen, so die Beobachtung der Eltern, gemildert. Eine Kontrolluntersuchung im Alter von 20 Monaten bestätigte, dass der Strabismus convergens beim Tragen der Brille nicht mehr auftrat (Tabelle 1). Es wurde eine akkommodative Esotropie diagnostiziert. Die Beobachtungen der Eltern sowie weitere Kontrolluntersuchungen (im Alter von 26 und 29 Monaten (Tabelle 1)), ergaben, dass der Strabismus convergens trotz Brillenkorrektion erneut auftrat. Die Eltern schätzten, dass das erneute Auftreten des Einwärtsschielens ca. drei bis vier Wochen nachdem CJ begann, die Brille dauerhaft zu tragen, einsetzte. Die Eltern waren sich nicht vollkommen sicher, ordneten die Schielbewegung jedoch dem linken Auge zu.
Sie zeigten sich besorgt über eine kürzlich erfolgte Empfehlung des Augenarztes ihrer Tochter, der eine Augenmuskeloperation als nächsten Schritt in der Behandlung von CJs Strabismus convergens sah. Sie wollten wissen, ob es alternative Behandlungsmethoden gäbe. Die Eltern beschrieben, dass das Schielen auch beim Tragen der Brille auftrat und dass dieses über die vorangehenden Monate hinweg, sowohl in seinem Ausmaß als auch in seiner Häufigkeit, zugenommen hatte. Ohne Brille war das Schielen deutlich zu erkennen.
CJ hat eine Hörbehinderung und trägt daher ein Hörgerät. Davon abgesehen ist sie ein allgemein gesundes, lebhaftes Kleinkind mit überdurchschnittlicher kognitiver Entwicklung. Sie kam nach einer normalen Schwangerschaftsdauer mit einem normalen Geburtsgewicht zur Welt und ihre Mutter ist gesund und Nichtraucherin. Ihre Entwicklung verläuft altersgemäß, wobei die Sprachentwicklung – insbesondere das Sprachverständnis – als überdurchschnittlich eingestuft wird. CJ lernt sehr schnell Gebärdensprache. Die Familienanamnese ist unauffällig und für CJs Augenprobleme nicht von Relevanz. Sie machte bei allen Untersuchungen einen gesunden und wohlgenährten Eindruck und ihre Testbarkeit lag über dem für ihr Alter typischen Durchschnitt. Sie ist kontaktfreudig, hält gut Augenkontakt und versteht nonverbale Hinweise ohne Probleme.
Untersuchung 1
Bei seiner ersten Untersuchung von CJ im Alter von 31 Monaten diagnostizierte der Autor einen sehr schnell alternierenden Strabismus convergens der Stärke 25 cm/m Basis außen mit Brille. Das rechte Auge wurde bevorzugt zur Fixation genutzt. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass dieses Ergebnis von 25 cm/m Basis außen der bei CJs erster Augenuntersuchung durch ihren ursprünglichen Augenarzt festgestellten Stärke der Esotropie ohne Sehhilfe entspricht (vgl. Ergebnisse im Alter von 17 Monaten in Tabelle 1). Die konkomitante Eso-Abweichung wurde mithilfe des Hirschberg-Test ermittelt. Die Duktionen waren in beiden Augen in der Abduktionsrichtung nicht eingeschränkt. Der Cardiff-Acuity-Tests in der „Forced-Choice Preferential Looking“-Methode mit zwei Stimuli ergab, dass die Brille (+6,50 dpt OU) auf beiden Augen eine Sehschärfe von 20/25 ermöglichte.5 Die MEM-Skiaskopie für die Nähe 6 ergab mit Brille einen Wert von +1,00 dpt auf beiden Augen. Die Fernskiaskopie mit Brille ergab auf beiden Augen plan-Werte.
Ein Test zur sensorischen Fusion mithilfe des „3-Figure Flashlight Test“,6 bei dem CJ eine Rot-Grün-Brille über ihrer normalen Brille trug, ergab zuverlässige Reaktionen beim Erkennen der angebotenen drei Formen. CJ zeigte sich ihrem Alter voraus. Sie zählte die Formen und benannte sie innerhalb weniger Sekunden korrekt (Ball, Mädchen, Elefant). Da CJs Augen hinter der Rot-Grün-Brille schwer zu sehen waren und sie nur kurz Interesse am Betrachten der Bilder für die zweite Stufe der Fusion zeigte, ließ sich nicht feststellen, ob ihre Augen, während sie die Antworten gab, normal ausgerichtet waren, oder ob sie schielte. Wenn sie schielte – was wahrscheinlich ist – entspricht diese Reaktion einer anomalen Korrespondenz. Bei einer geraden Stellung der Augen, wäre dies als normale zweite Stufe der Fusion auszulegen. Zusätzlich wurde die sensorische Fusion mithilfe des Lang-Stereotests 7 und des Frisby-Stereotests7 überprüft. Hierbei zeigte CJ nicht eindeutige Reaktionen, die nicht mit dem Sehen räumlicher Bilder gleichgesetzt werden konnten.
Es wurde eine verschlechterte akkommodative Esotropie mit einer wahrscheinlichen anomalen retinalen Korrespondenz diagnostiziert. Die Verdachtsdiagnose einer anomalen retinalen Korrespondenz basiert auf CJs Reaktion auf den „3-Figure Flashlight Test“ sowie auf der beobachteten Veränderung ihrer Augenstellung beim Tragen einer Brille, von einem Parallelstand hin zu einem Strabismus convergens. Zur Behandlung wurde eine binasale Okklusion (BNO) verschrieben. Den Eltern wurde erklärt, dass es für CJ optimal wäre, zwei Brillen zur Verfügung zu haben, um so die binasale Okklusion bei einer der Brillen anzuwenden und das Trageschema zu vereinfachen. Die Parameter der Brillenverordnung wurden nicht verändert.
Die Eltern kamen drei Wochen später mit den beiden empfohlenen Brillen erneut in die Praxis. Eine der Brillen wurde gemäß der von Greenwald beschriebenen Methode für Patienten mit alternierendem Strabismus convergens für die binasale Okklusion präpariert.4 Dabei wird auf dem nasal Teil der Brillengläser eine handelsübliche mattierte transparente Haftfolie angebracht, sodass das nasale Gesichtsfeld verdeckt ist und die Pupillen zweigeteilt werden. Die Haftfolie verdeckt die binasale Zone (Bild 2) des Brillenglases. Unmittelbar nach dem Aufsetzen der präparierten Brille zeigte CJ keinerlei Anzeichen von Abwehr oder Unbehagen. Die Eltern wurden angewiesen, ihre Tochter die Brille dauerhaft tragen zu lassen, es sei denn, sie reagierte mit starkem Widerstand. Sollte CJ mit Abwehr auf die Brille reagieren – was bei binasaler Okklusion durchaus vorkommen kann – so wurde als Ziel vorgegeben, die Brille so häufig wie möglich zu tragen. Eine weitere Empfehlung für diesen Fall war, zunächst mit einer Stunde Tragezeit pro Tag zu beginnen und diese anschließend täglich um eine Stunde zu verlängern. Eine Kontrolluntersuchung wurde für sechs Wochen später vereinbart. In CJs häuslicher Umgebung gab es zahlreiche die Entwicklung fördernde Angebote, einschließlich Aktivitäten zur Förderung der Motorik und der visuell-motorischen Koordination, sodass keine weiteren Aufgaben für die visuelle Entwicklung spezifisch für zu Hause aufgetragen wurden.

Untersuchung 2
CJ war bei dieser Vorstellung in der Praxis 34 Monate alt und trug die Brille mit BNO. Die Mutter berichtete, dass CJ die BNO-Brille seit ihrer Anfertigung ständig getragen hatte, ohne Anzeichen von Aversion oder Veränderungen in ihren täglichen Aktivitäten. Sie gab an, dass das sichtbare Schielen weniger häufig und in geringerem Umfang auftrat. Der einseitige Cover-Test zeigte einen langsam alternierenden Strabismus convergens intermittens. Der alternierende Cover-Test ergab 10 cm/m Basis außen in der Ferne und 14 cm/m Basis außen in der Nähe. Die Frequenz der Esotropie wurde, basierend auf den 15 - 20 Sekunden, die CJ im Rahmen des Cover-Tests zuließ, auf 20 % geschätzt. Laut Cardiff-Acuity-Test erreichte CJ mit Brille weiterhin eine gute monokulare sowie binokulare Sehschärfe. Der Frisby-Test ergab für die Stereopsis einen Wert von 215 Winkelsekunden. Beim „3-Figure Flashlight Test“, konnten alle drei Formen erkannt werden und ein einseitiger Cover-Test bestätigte, dass es während der Reaktionen zu keinerlei Form von Schielen kam. Um das Ergebnis des einseitigen Cover-Tests zu sehen, wurde für eine helle Beleuchtung gesorgt und ein Untersucher positionierte sich strategisch nah bei CJ, sodass er durch die Rot-Grün-Brille hindurchblicken konnte. Die MEM-Skiaskopie ergab eine akkurate Nahakkommodation von +0,50 dpt. Es wurde ein akkommodativer Strabismus convergens mit Rest-Esophorie mit einem Konvergenzexzessmuster diagnostiziert. Die sensorische Fusion war normal. Die Eltern wurden angewiesen, CJ die normale Brille (ohne BNO) für ein bis zwei Stunden pro Tag aufzusetzen.
Untersuchung 3 & 4
CJs Folgeuntersuchungen, die zunächst drei und anschließend weitere sieben Monate später stattfanden, zeigten die gleichen positiven Ergebnisse. So ergaben der Frisby-Stereotest und der „3-Figure Flashlight Test“, dass weiterhin eine Esophorie mit guter sensorischer Fusion vorlag. Bei beiden Untersuchungen lag die monokolare Sehschärfe laut Lea-Sehschärfetest mit Einzeloptotypen ohne Crowding bei 0,8.8 Im Anschluss an Untersuchung 3 wurde das Trageschema für die BNO auf „vier Tage mit“ / „drei Tage ohne“ angepasst. Nach Untersuchung 4 wurde die Tragezeit auf zwei Tage pro Woche herabgesetzt. Eine weitere Kontrolluntersuchung nach sechs Monaten wurde empfohlen. Diese hatte zum Zeitpunkt, zu dem diese Arbeit verfasst wurde, noch nicht stattgefunden.
Diskussion
BNO mit einer handelsüblichen mattierten lichtdurchlässigen Haftfolie reduziert die einfallende Lichtmenge und verhindert, dass „Formen“ auf der temporalen Netzhaut abgebildet werden. Bei einem Auge in primärer Blickposition stimmen geografische und anatomische temporale Netzhaut überein. Bei einem esotropen adduzierten Auge befinden sich die Fovea und ein Teil der nasalen Netzhaut, wie in Bild 3 dargestellt, in der geografischen temporalen Netzhaut. Während bei Patienten mit Strabismus convergens ein großer Teil der Netzhaut verdeckt ist, ist die Okklusion der Fovea der hypothetische Schlüssel für die Wirksamkeit der BNO, wie von Petito et al. sowie im folgenden Abschnitt beschrieben.9
Bei Patienten mit Esotropie erhält die Fovea des esotropen Auges unter normalen Sehbedingungen ein Bild temporal zur Fovea des fixierenden Auges. Bei normaler sensorischer Fusion führt diese Diskrepanz zu visueller Konfusion, das heißt, es entsteht der Eindruck, dass sich verschiedene Objekte überlappen und denselben Raum einnehmen.10 Um diese unhaltbare visuelle Wahrnehmung zu beheben, unterdrückt das Gehirn die Fovea des esotropen Auges und gegebenenfalls die nasale Netzhaut oder kann seine kortikale Repräsentation so umprogrammieren, dass sie anomalerweise dem fixierenden Auge entspricht. Prägt sich diese Fehlanpassung ein, kann es vorkommen, dass Behandlungen, die darauf abzielen, die bifoveale Fixation wieder herzustellen (Schieloperation, Prismen oder Konvexlinsen zur Korrektion der Hyperopie), außer Kraft gesetzt werden, um den Status quo der abnormalen sensorischen Fusion aufrecht zu erhalten. Der dahintersteckende Mechanismus, die anomale fusionale Konvergenz, führt zum erneuten Auftreten der Esotropie. Bei CJ kann dies anhand der erneut auftretenden Esotropie der Stärke 25 cm/m in der Nähe mit Brille (im Alter von 31 Monaten( Tabelle 1) beobachtet werden. Diese entspricht dem Wert von 25 cm/m ohne Sehhilfe beim erstmaligen Auftreten des Strabismus convergens (im Alter von 17 Monaten (Tabelle 1). Eine plausible Erklärung hierfür ist, dass bei CJ eine anomale fusionale Konvergenz aktiviert wurde, um die motorische Ausrichtung wiederherzustellen, bei der das esotrope Auge ein nasales Netzhautareal hat, das auf die Fovea des fixierenden Auges ausgerichtet ist.

Durch die Okklusion der Fovea des esotropen Auges entlastet die BNO das Gehirn von der visuellen Konfusion, die aufgrund der nicht übereinstimmenden fovealen Bilder entsteht. Als Reaktion hierauf hebt das Gehirn seine Strategien der Suppression und anomalen retinalen Korrespondenz auf und aktiviert die normale sensorische Fusion, die vor dem Einsetzen des Strabismus convergens genutzt wurde. Ist ein motorisches Signal für die Augenstellung, wie zum Beispiel Konvexgläser zur Korrektion einer Hyperopie, vorhanden, so kann diese Stellung der Augen nun ohne den entgegenwirkenden Impuls der anomalen fusionalen Konvergenz erfolgen.
Dieser Fall wies eindeutig alle Merkmale einer refraktiven akkommodativen Esotropie auf. Zu Beginn zeigte sich ein ungleichmäßiges Einwärtsschielen, was charakteristisch für das Alter der Patientin – 16 Monate zu diesem Zeitpunkt – ist.2 Sie wies eine sehr hohe Hyperopie auf, deren unkorrigierter Wert von 25 cm/m – zumindest auf dem Papier – bei optimaler Korrektion der Hyperopie zu einer anhaltenden, konsistenten bifovealen Ausrichtung führen sollte. Es kam zu logistischen Verzögerungen bei der Versorgung mit einer Brille, weshalb die Patientin drei bis vier Monate lang dauerhaft von einem Strabismus convergens betroffen war. Dank guter klinischer Aufzeichnungen und dank der Eltern, die sich als gute Beobachter und Protokollanten erwiesen, lässt sich zuverlässig schlussfolgern, dass die Brille für kurze Zeit eine Ausrichtung über den AC/A-Wert ermöglichte. Nach drei bis vier Wochen kehrte der Strabismus convergens aufgrund der anomalen fusionalen Konvergenz, die bekanntermaßen langsam verläuft, zurück.11 Die BNO schaltete die anomale Korrespondenz aus, und die AC/A-bedingte Divergenz der konvexen Brillengläser zur Korrektion der Hyperopie verringerte die Eso-Abweichung ausreichend, so dass sich die bifoveale Ausrichtung manifestieren konnte.
Eine Widersprüchlichkeit in diesem Fall und in der angebotenen Theorie zu BNO ist CJs erhebliche Rest-Esophorie. Warum führte die vollständige Korrektion von CJs Hyperopie nach Normalisierung der sensorischen Funktion nicht zu einer Veränderung der Esotropie von 25-30 cm/m Basis außen ohne Brille hin zu einer Orthophorie, wie sie bei der Untersuchung im Alter von 20 Monaten festgestellt worden war? (Tabelle 1) Hieraus lässt sich schließen, dass bei CJ zwei Formen der Abweichung nach Innen vorlagen. Eine der Stärke von ca. 20 cm/m, aufgrund der unkorrigierten Hyperopie, und eine weitere, zusätzliche, nicht akkomodative Esophorie von ca. 10 cm/m. Diese im Laufe der Zeit progressive Zunahme der Abweichung nach Innen bei Patienten mit akkommodativem Strabismus convergens wird in der Literatur beschrieben.2 Insbesondere finden sich Berichte über eine Verschlechterung des Zustands der Patienten beim Tragen einer Brille hin zur Esotropie, ausgehend von einer vormals korrekten Ausrichtung.2 Ohne BNO hätte CJs Rest-Esophorie durchaus als Esotropie bestehen bleiben können und CJ wäre einfach als Kind mit teilakkommodativem Strabismus convergens eingestuft worden.
Da eine vollständige monokulare Okklusion die abnormale sensorische Fusion deaktiviert,12 ließe sich argumentieren, dass eine monokulare Okklusion die Ausrichtung der Augen auf die gleiche Weise normalisieren kann, wie eine BNO. Im Gegensatz zur vollständigen Okklusion, bei der das Auge keinerlei visuellen Input erfährt, sorgt die BNO jedoch für Bedingungen, unter denen das esotrope Auge weiterhin einige visuelle Informationen erhält. Dieser visuelle Input trifft auf die nasale Netzhaut, wie in Bild 3 dargestellt. Wenn die Okklusion der Fovea eine zuvor funktionsfähige, normale sensorische Fusion in Gang setzt, wird die nasale Netzhaut nicht unterdrückt und die normale retinale Korrespondenz aktiviert. Die Abweichung vom Partnerauge resultiert in ungekreuzten Doppelbildern und kann zur Behebung der Diplopie fusionale Divergenz auslösen. Eine wiederholte Aktivierung der fusionalen Divergenz verstärkt diese, sodass eine moderate bis hohe Esophorie nach Beendigung der BNO, wie auch bei CJ, später leicht überwunden werden kann.
Zwei abschließende Bemerkungen zu diesem Fall sowie zu BNO im Allgemeinen beziehen sich auf die Akzeptanz der Behandlung durch die Patienten und ihren Erfolg in diesem konkreten Fall. CJs sofortige Akzeptanz der BNO war bemerkenswert. Bei der erstmaligen Anwendung während der Brillenanpassung zeigte sie ein gesteigertes Interesse an ihrer geschäftigen Umgebung. Wie angewiesen hielt CJs Mutter dabei ihre Hände fest, um ein sofortiges Absetzen der Brille mit den frisch angebrachten BNO-Folien zu verhindern. Bereits wenige Momente später zeigte sich, dass dies absolut nicht notwendig war. So kommentierte die Mutter: „Es scheint ihr zu gefallen“. Greenwald, ein Pionier im Bereich dieser Behandlungsmethode beschreibt zwei Kategorien von Reaktionen auf die Anwendung von BNO: positiv und negativ.13 In der zweiten Kategorie reagieren die Patienten „mit großem Unbehagen“ und „Abneigung gegenüber dem Optometristen“. Die erste Kategorie der positiven Reaktionen beschreibt Greenwald wie folgt:
Die erste Gruppe von Patienten berichtet von einer anfänglichen Gewöhnungsphase, scheint dann aber generell zufrieden mit den angebrachten Haftfolien zu sein. Es wirkt, als hätten sie nur darauf gewartet, dass ihnen jemand eine solche Möglichkeit anbietet.
Die Erfolgsrate der BNO bei der Umwandlung eines Strabismus convergens hin zu einer normalen Ausrichtung der Augen in Fällen wie dem von CJ, bei denen eine Hyperopie eine Rolle spielt, wurde nicht untersucht. Sie wird für Kinder mit dauerhaftem Strabismus convergens im Alter zwischen 18 Monaten und drei Jahren allgemein mit 13 % angegeben.4 Es gibt jedoch keine Angaben dazu, ob diese Kinder auch von Hyperopie betroffen waren oder nicht. Eine wahrscheinliche Voraussetzung für eine Besserung der Esotropie ist, dass der Patient, wie CJ, einen Großteil seines frühen Lebens zur bifovealen Ausrichtung in der Lage war. Einzigartig an diesem Fall ist das junge Alter der Patientin, mit dem eine hohe neuronale Plastizität einhergeht. Scheinbar war CJs Gehirn für die Wiederherstellung der normalen sensorischen Fusion empfänglich und/oder die abnorme sensorische Fusion war nicht tief integriert. Die BNO stellte ihr Sehvermögen neu ein, sodass sie – wie in den ersten 15 Monaten ihres Lebens – erneut zur evidenten bifovealen Ausrichtung in der Lage war.
Obwohl BNO einen manifesten Strabismus convergens nicht immer in einen nicht-manifesten Strabismus umwandeln kann, lässt sich ihr Erfolg doch auf einer untergeordneten, aber bedeutsamen Ebene definieren. So kann BNO die sensorische Fusion verbessern, was beispielsweise mittels Amblyoskop 12 oder vertikalem Prismentest 12 nachgewiesen werden kann. Der manifeste Strabismus convergens wird nicht behoben, aber die BNO verbessert die Erfolgsquote einer anschließenden Sehtherapie, Prismenbehandlung oder Augenmuskeloperation. Dass BNO eine effektive Behandlungsoption für verschiedene Formen einer Esotropie sein kann, verdeutlicht auch eine neuere Studie von Zhao et al.14
Fazit
BNO ist eine passive, praktikable Behandlungsmethode bei Strabismus convergens, durch welche die Esotropie eines kleinen Mädchens in eine Esophorie umgewandelt werden konnte. Der Hauptmechanismus der BNO besteht darin, die Fovea des esotropen Auges zu okkludieren, wodurch eine bereits bestehende abnorme sensorische Fusion aufgehoben wird. Benötigt der Patient ohnehin eine Brille, ist die Methode kostengünstig und leicht umsetzbar. Sie scheint für die Nische an Patienten geeignet zu sein, bei denen die potenzielle Ausrichtung der Augen durch eine schwache, abnorme sensorische Fusion verhindert wird und bei denen ein Divergenzimpuls vorliegt. In diesem Artikel wurde die BNO streng vor dem Hintergrund des binokularen Sehens diskutiert und interpretiert. Es ist bekannt, dass sich BNO auf andere Arten auf das funktionale Sehen auswirkt 4,15 und dies kann die positiven Veränderungen, die das Mädchen in diesem Fall erfahren hat, sicherlich beeinflusst haben.
Interessenskonflikt
Der Autor erklärt, dass in Bezug auf die im Artikel genannten Methoden und Geräte kein Interessenskonflikt besteht.