Originalartikel

Veränderung des NPC bei Personen mit Konvergenzinsuffizienz nach I.F.S.-Visualtraining

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Veröffentlicht am:
1 B.Sc. Optometrie, EurOptom
2 B.Sc. Optometrie
3 Eyeness AG, Bern, Switzerland
4 Optik Thoma, Thun, Switzerland
5 Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), Olten, Switzerland
Schlüsselwörter
I.F.S.-exercises
Konvergenzinsuffizienz
Konvergenznahpunkt
NPC
Visualtraining
Konvergenztraining
Keywords
I.F.S.-exercises
convergence insufficiency
near point of convergence
NPC
visual therapy
convergence training
Zusammenfassung

Zweck:

Ziel dieser Studie war die Evaluation der Wirksamkeit des von Bruce Evans entwickelten I.F.S.-Visualtrainings [Institute Free-Space Stereogram exercises (Konvergenztraining)] in einem randomisiert-kontrollierten Setting. Die Analyse der Veränderung des Konvergenznahpunktes (NPC) stellte das Hauptziel der vorliegenden Studie dar.

Material und Methoden:

20 konvergenzinsuffiziente Probanden (39,0 ± 15,32 Jahre) mit einem NPC > 10 cm führten in einem randomisiert-kontrollierten, einfach verblindeten Setting ein 4-wöchiges Visualtraining (VT) durch. Die Verumgruppe befasste sich mit dem I.F.S.-VT, während die Kontrollgruppe ein Placebotraining durchführte. Jeweils vor und nach der Trainingsphase wurde bei allen Probanden der NPC und die positive fusionale Vergenz (PFV) gemessen sowie das Sheard- und Mallett-Kriterium erfasst. Zur Erfassung und Quantifizierung der subjektiven Symptome diente der CISS-Fragebogen.

Ergebnisse:

Die statistische Analyse (α = 0,05) zeigte auf, dass sich der NPC der Verumgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe (p = 0,0008) sowie auch innerhalb der Verumgruppe (p = 0,0002) signifikant verbessert hat. Untermauert wird die positive Wirkung des I.F.S.-Trainings durch die ebenfalls signifikante Verbesserung der PFV.

Fazit:

Die Resultate sowie die praktischen Erfahrungen mit den Übungen zeigen auf, dass sich das I.F.S.-Visualtraining für konvergenzinsuffiziente Personen mit einem NPC > 10 cm als wirkungsvoll erwiesen hat, um den Konvergenznahpunkt zu verbessern.

Abstract

Aim:

The aim of this study was to evaluate the efficacy of the I.F.S. visual therapy (convergence training), developed by Bruce Evans, in a randomised-controlled setting. The main objective of the study was to analyse the changes in the near point of convergence (NPC).

Material and Methods:

20 subjects (39.0 ± 15.32 years) with convergence insufficiency and an NPC > 10 cm underwent 4 weeks of convergence training in a randomised-controlled, single-blind setting. The verum group performed I.F.S. exercises, while the control group underwent a placebo training. Before and after the training phase, the NPC and the positive fusional vergence (PFV) were measured in all subjects and the Sheard and Mallet criteria assessed. The CISS (Convergence Insufficiency Symptom Survey) was used to record and quantify subjective symptoms.

Results:

The statistical analysis (α=0.05) shows that the NPC of the verum group improved significantly compared to that of the control group (p=0.0008), also when considering the test group only (p=0.0002). The positive effect of the I.F.S. exercises was also confirmed by the significant improvement in PFV.

Conclusions:

The results as well as the practical experience with the exercises indicate that the I.F.S. visual therapy proves to be effective in improving the near point of convergence in individuals with convergence insufficiency and an NPC > 10 cm.

Einleitung

Wenn beim Lesen schnell Kopfschmerzen oder Schläfrigkeit eintreten, die Buchstaben manchmal verschwimmen und die Konzentration, wie auch das Textverständnis bei längeren Texten rasch nachlassen, könnte Konvergenzinsuffizienz (nachfolgend auch CI genannt, für engl. convergence insufficiency) die Ursache sein. Diese binokulare Auffälligkeit betrifft 3 % bis 8 % der Gesellschaft1 und manifestiert sich durch einen erhöhten Konvergenznahpunkt (NPC, für engl. near point of convergence))2, eine stärkere Exophorie in der Nähe als in der Ferne1, eine reduzierte positive fusionale Vergenz (PFV)3 sowie ein niedriges AC/A-Verhältnis. Letzteres beschreibt, um wie viele Prismen sich die Augenstellung aufgrund der Konvergenz pro Dioptrie Akkommodation verändert.3 Es macht jedoch nur bei der Untersuchung prä­presbyoper Personen Sinn, dieses Verhältnis festzuhalten, da sich durch die Presbyopie die Akkommodation reduziert und der Wert somit nicht mehr vergleichbar ist.3

Die bevorzugte Therapie einer Konvergenzinsuffizienz ist ein Visualtraining (VT) zur Verbesserung der Konvergenz­fähigkeit, zusammengestellt aus verschiedenen Übungen, die auf die jeweiligen Probleme des Patienten abgestimmt sind.1,4 Die Übungssequenzen werden entweder zuhause absolviert (home-based) oder in einer Praxis unter Aufsicht und Anweisung des behandelnden Optometristen/Ophthalmologen (office-based). Manchmal ist das Training auch eine Kombination der beiden Möglichkeiten. Die einfachste Art eines Visualtrainings ist das sogenannte „pencil push-up treatment“ (PPT), bei dem ein akkommodatives Objekt (z. B. Bleistiftspitze) vom Patienten in Armeslänge vor die Augen gehalten und anschließend angenähert wird.1,4 Während der gesamten Zeit der Annäherung sollte die bifoveale Fixation so lange beibehalten werden, bis Diplopie beobachtet wird. Das beschriebene Verfahren wird von vielen Praktikern angewandt, da es einfach durchzuführen ist und sich deshalb gut für das selbstständige home-based-Training eignet. Die CITT-Gruppe (Convergence Insufficiency Treatment Trial) führte mehrere Studien zur Evaluation der Wirksamkeit von verschiedenen Visualtrainings durch, so auch mit dem PPT. Die Therapie stellte sich als nicht viel wirksamer als ein Placebotraining heraus.5 Eine andere von der Gruppe durchgeführte Studie hielt fest, dass ein office-based-VT zu statistisch signifikanten Verbesserungen von NPC und PFV führt – nicht aber das PPT allein.4,5 Ein home-based-Training, das zusätzlich zum PPT aus weiteren Übungen besteht (Stereogramme, Brock-Schnur, Übungen mit „eccentric circles“) ist wesentlich erfolgreicher und bringt gute Resultate. Um einen Erfolg erzielen zu können, sind aber detaillierte Erklärungen der betreuenden Fachperson nötig, was dazu führen kann, dass die zuhause durchgeführten Übungen nicht dieselbe Effektivität haben wie das in-office-Training unter Aufsicht.4 Für betroffene Personen, welche die Zeit für ein intensives in-office-Training nicht aufbringen können, gibt es mittlerweile Visualtrainings für den Computer.4 Das „HTS (home therapy system) Vergence and Accommodation“ ist ein unkompliziertes Programm, das mithilfe von Random-Dot-Stereogrammen ein Visualtraining durchführt und die Schwierigkeitsgrade der Übungen dabei immer an den Fortschritt des Patienten anpasst.1

Vaegan hielt fest, dass der Schlüssel zu einem erfolgreichen Visualtraining darin liegt, die Stellung der Extremkonvergenz über längere Zeit aufrecht zu erhalten.6 Extremkonvergenz wird definiert als die mit Anstrengung aufrecht erhaltene Vergenz der Augen in einem Winkel zwischen dem Abriss- und dem Wiedervereinigungspunkt. Vaegan erwähnte auch, dass es keine Rolle spiele, ob ein Synoptophor oder Karten mit Stereogrammen für das Training verwendet werden, sondern dass die oben erwähnte anhaltende Extremkonvergenz maßgebend sei. Um den Patienten zu motivieren und Langeweile vorbeugen zu können, sollten Übungen zur Therapie der CI möglichst abwechslungsreich und interessant gestaltet sein, wie dies bei dem in der vorliegenden Studie untersuchten Training der Fall ist.6

Das I.F.S.-Training (Institute Free-Space Stereogram exercises) wurde von Bruce Evans entwickelt, der die Wirksamkeit im Jahr 2000 im Rahmen einer nicht verblindeten „open trial“ Studie evaluierte.7 Die Resultate waren vielversprechend, da der NPC und weitere Werte der Probanden signifikant verbessert werden konnten. Evans hielt jedoch fest, dass eine Untersuchung des I.F.S.-VT in einem randomisiert-kontrollierten Aufbau erstrebenswert wäre7, da dies zur Untersuchung einer medizinischen Intervention und deren Effekt auf eine definierte Zielgröße als das bevorzugte Studiendesign gilt. Ein Vorteil einer randomisierten Einteilung in eine Verum- und Kontrollgruppe ist zudem, dass systematische Unterschiede zwischen den Gruppen weitgehend ausgeschlossen werden können. Durch die zusätzliche einfache Verblindung ist für den Probanden nicht erkenntlich, ob er das I.F.S.- oder das Placebotraining durchführt. In der Kontrollgruppe könnte so auch ein möglicher Placeboeffekt festgehalten werden.

Material und Methoden

Die Studie entspricht den Grundsätzen der Deklaration von Helsinki, erhielt die Genehmigung der Ethikkommission der Nordwest- und Zentralschweiz EKNZ (BASEC: 2018-00087) und ist im Deutschen Register Klinischer Studien DRKS registriert (Studien-ID: DRKS0001487).

Menjivar et al. haben in einer Studie verschiedene Verfahren wie die Messung des NPC, Bestimmung der PFV und die Erfassung des CISS-Scores verglichen und auf ihre Eignung als Screening geprüft. Hierbei hat die Bestimmung des NPC bezüglich Sensitivität und Spezifität am besten abgeschlossen und wurde als die zu bevorzugende Screeningmethode zur Detektion einer Konvergenzinsuffizienz bestimmt.8 Das Haupteinschlusskriterium bei der Probandenrekrutierung war daher ein NPC > 10 cm, gemessen auf Augenhöhe und ab dem Nasenrücken.

Die 20 teilnehmenden Probanden (39,0 ± 15,32 Jahre), welche allesamt keine systemischen Erkrankungen aufwiesen, wurden nach NPC und Alter balanciert und nach Zufallsprinzip in eine Verum- und Kontrollgruppe aufgeteilt (jeweils n = 10). Das I.F.S.-VT baut darauf auf, dass der Patient bei korrekter Konvergenz eine räumliche Tiefe auf den Testkarten wahrnehmen kann, weshalb Personen mit Strabismus oder nicht intaktem Stereosehen aus der Studie ausgeschlossen wurden.

Die Trainingszeit belief sich in beiden Gruppen auf täglich 10 - 15 Minuten während 4 Wochen. Die Verumgruppe führte das I.F.S.-VT durch, während die Probanden der Kontrollgruppe ein Placebotraining absolvierten, welches so konzipiert wurde, dass die Übungen auf keine Art und Weise die Konvergenz trainieren. Zur Dokumentation des Trainings wurde den Probanden ein Journal zur Verfügung gestellt.

I.F.S.-Visualtraining

Die von Bruce Evans entwickelten „I.F.S. exercises“ bestehen aus 4 Karten im Format A4 mit einer dazugehörigen Trainingsanleitung. In die Übungssequenzen integriert sind 10 Selbsttestfragen, die dem Patienten je nach Antwort aufzeigen, ob das Training korrekt durchgeführt wird. Die Karten und die Übungen sind stufenweise aufgebaut, sodass der Patient schrittweise an das Ziel herangeführt wird und die Möglichkeit hat, die Schritte so oft zu wiederholen, bis ein Lernerfolg feststellbar ist. Durch 3D-Elemente wird das Training interessant und abwechslungsreich gestaltet, mit dem Ziel, die Compliance des Patienten zu steigern. Dies führt wiederum dazu, dass sich die Augen über längere Zeit in einer extremkonvergenten Stellung befinden, sodass das Training trotz verhältnismäßig kurzer Zeitperiode zu Erfolgen führen soll.7

Bei der Durchführung von Übungen zum Training der fusionalen Vergenzen gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Dissoziation der Augen, wobei beim I.F.S.-VT die „Free-space-fusion“, mittels „Random-Dot-Stereogrammen“ angewendet wird.2,7

Die Übungen der ersten Karte dienen dazu, dem Patienten zu zeigen, wie er das physiologische Doppeltsehen nutzen kann, um Stereopsis zu erzeugen. Der Patient wird mit den Übungen auf dieser Karte bereits Stereopsis wahrnehmen, jedoch ist dazu lediglich eine geringe Extremkonvergenz nötig.2 In Bild 1 ist das Design der ersten beiden Karten ersichtlich.

Bei Karte 2 wird nicht nur die Extremkonvergenz trainiert, sondern es kommen verschiedene Techniken zum Einsatz, die dem Patienten helfen, seine Konvergenz und Stereowahrnehmung zu verbessern. In einem ersten Schritt wird mithilfe verschiedener Übungen die sensorische Wahrnehmung gesteigert. Später lernen die Patienten, Tiefenunterschiede im Stereosehen zu erkennen, voneinander zu differenzieren und zu beschreiben. Je weiter unten sich die Ringpaare auf der Karte befinden, desto weiter sind die beiden zugehörigen Ringe voneinander entfernt und desto mehr positive relative Konvergenz ist nötig, um Stereopsis erreichen zu können.7

Die dritte Karte des Trainings, wie in Bild 2 ersichtlich, zeigt ein Random-Dot-Autostereogramm. Bei korrekter Durchführung der Übung kann der Patient eine Treppe erkennen, die mit jeder Stufe näher auf ihn zukommt und ihm somit zunehmende Konvergenz abverlangt. Karte 4 ist ebenfalls ein Autostereogramm – jedoch geringfügig schwieriger aufgebaut.2,7

Bild 1: Karten 1 und 2 des I.F.S.-Visualtrainings

Messmethoden

Das Hauptziel der Studie stellte die Analyse der Veränderung des NPC (Haupteinschlusskriterium) dar, dessen video­basierte Messung (Sony Digital HD, HDR-TG1E) jeweils vor und nach dem Training mittels „free-space“-Methode (freie Annäherung einer Bleistiftspitze in Richtung Nase) erfolgte. Als Resultat wird die Distanz vom Nasenrücken entweder zum objektiven oder subjektiven Abrisspunkt definiert.9 Bei Letzterem gibt der Patient an, ab wann er das betrachtete Nahobjekt doppelt sieht. Beim objektiven Abrisspunkt beobachtet der Untersucher den Patienten und notiert den Punkt, an dem ein Auge die Konvergenz aufgibt und abweicht. Der jeweils zuerst eintretende Abrisspunkt ist maßgebend.10 Ist eine Messung ohne Brille nicht möglich, wird aufgrund der dadurch entstehenden prismatischen Nebenwirkungen der gemessene Wert anhand einer Korrekturtabelle angepasst.9

Zusätzlich wurden die PFV, der CISS-Score und das Sheard- und das Mallett-Kriterium ebenfalls vor und nach dem Training erfasst und analysiert – einerseits in Hinblick auf die Veränderungen von vor zu nach dem Training innerhalb der zwei Gruppen, wie auch auf die Differenzen zwischen Verum- und Kontrollgruppe. Das Hauptaugenmerk lag jedoch auf der Analyse der Veränderung des NPC.

Die Messung der positiven fusionalen Vergenz, also der Konvergenzreserve bei gleichbleibender Objektdistanz, erfolgte mit einem Fixationsobjekt in 40 cm am Phoropter unter stetigem Erhöhen von Prismen Basis außen. Als Normwert für den Abrisspunkt werden in der Literatur 21 ± 6 cm/m definiert, bei Konvergenzinsuffizienz ist dieser Wert häufig reduziert.3

Das Sheard-Kriterium bezieht sich auf die Nah(exo)phorie und ist dann erfüllt, wenn der Nebelpunkt der PFV in der Nähe, also die Konvergenzreserve, doppelt so groß ist wie die Exophorie in die Nähe.2 Somit wäre gewährleistet, dass der Patient die Phorie durch Konvergenz, beziehungsweise Divergenz, auch über längere Zeit bequem ausgleichen kann und weder ein unscharfes Bild noch ein Doppelbild wahrnimmt.1 Die zur Bestimmung des Sheard-Kriteriums notwendige Messung der dissoziierten Nahphorie erfolgt mit der Thorington-Card in Kombination mit dem Maddox-Zylinder. Da dieser Test in einer Distanz von 40 cm durchgeführt wird, ist ein direkter Vergleich der Phorie mit der zuvor gemessenen positiven fusionalen Vergenz möglich. Es interessiert jedoch nicht nur, ob das Kriterium erfüllt oder nicht erfüllt ist, sondern auch, wie groß der gefundene abweichende Prismenwert des Sheard-Kriteriums ist. Gilt das Kriterium als erfüllt, ist der abweichende prismatische Wert positiv, bei Nicht-Erfüllen negativ.

Der Mallett-Test ist ein assoziierter Test mit zentralem Fusions­reiz und kann eine Fixationsdisparität anzeigen, welche meist bei sensorisch schlecht kompensierten Heterophorien auftritt.11 Sofern die Testbalken vom Probanden zueinander verschoben wahrgenommen werden, wird der geringstmögliche Prismenwert gesucht, das sogenannte Ausgleichsprisma, mit dem der Test zentriert erscheint. Das Mallett-Kriterium gilt als erfüllt, wenn das Ausgleichsprisma weniger als 1 cm/m bei prä-presbyopen, respektive 2 cm/m bei presbyopen Personen beträgt.2 Für die vorliegende Studie wurde zur statistischen Auswertung der numerische Wert des genannten Ausgleichsprismas verwendet, was eine zusätzliche Analyse bezüglich einer möglichen Veränderung des Werts durch das VT ermöglicht.

Subjektiv vorhandene Symptome können mit dem aus 15 Fragen bestehenden CISS-Fragebogen (Convergence Insufficiency Symptom Survey) quantifiziert werden. Der Grenzwert für Erwachsene mit symptomatischer CI liegt bei 21 Punkten.4

Auf die Messung des AC/A-Verhältnis wurde verzichtet, da in der untersuchten Gruppe präpresbyope und presbyope Probanden vorhanden waren.

Statistik

Die statistische Auswertung erfolgte mithilfe von Microsoft Excel und dem R-Commander-Statistikprogramm (Rcmdr, Version 3.2.2). Nach vorangehender Prüfung auf Normalverteilung mit dem Shapiro-Wilk-Test folgte die Prüfung auf statistische Signifikanz mit dem t-Test für unabhängige Stichproben oder dem Wilcoxon-Test, sollten die Werte nicht normalverteilt sein. Die Korrelation zwischen NPC und PFV wurde mittels Pearson-Korrelationskoeffizient evaluiert. Als Signifikanzniveau galt α = 0,05.

Bild 2: Karten 3 (oben) und 4 (unten) des I.F.S.-Visualtraining

Ergebnisse

Die deskriptive Statistik für die Ausgangslage nach Balancierung von NPC und Alter ist der Tabelle 1 zu entnehmen. Wie in Bild 3 ersichtlich ist, zeigte die statistische Analyse der Daten (α = 0,05) auf, dass sich die Differenz des NPC [cm] der Verumgruppe (Gruppe A, grün) von vor zu nach dem Training signifikant unterscheidet (p = 0,0008) zur Differenz in der Kontrollgruppe (Gruppe B, blau).

Untermauert wird diese positive Wirkung des I.F.S.-Visualtrainings durch die Analyse der Verumgruppe allein, in der die mittlere Verbesserung des NPC 8,12 cm (± 4,37) beträgt und ebenfalls statistisch signifikant ist (p = 0,0002). Innerhalb der Kontrollgruppe beträgt die Verbesserung des NPC lediglich 1,04 cm (± 3,31) und ist nicht signifikant (p = 0,3452). In Bild 4 sind die NPC-Werte von vor und nach dem vierwöchigen Training jeweils separat für die Gruppe A und B dargestellt, was die zuvor erwähnten Resultate nochmals veranschaulicht.

Das Bild 5 zeigt die Werte der PFV [cm/m] vor und nach dem Training, separat für die Gruppe A und B dargestellt, und es wird ersichtlich, dass sich die PFV der Probanden der Verumgruppe stärker verändert und in diesem Falle verbessert hat als die der Kontrollgruppe. Dieser Unterschied der Differenz von vor – zum Ergebnis nach dem VT zwischen den beiden Gruppen ist signifikant (p = 0,0013) und wird bestätigt durch die statistisch signifikante (p = 0,0013) mittlere Verbesserung von 4 cm/m (± 4,41) innerhalb der Verumgruppe. Innerhalb der Kontrollgruppe beträgt die Veränderung 0,1 cm/m (± 2.02) und ist statistisch nicht signifikant (p = 0,8739).

Bild 3: Differenz des NPC in cm. Gruppe A: Verumgruppe, Gruppe B: Kontrollgruppe
Bild 4: NPC in cm. Gruppe A: Verumgruppe vor und nach VT, Gruppe B: Kontrollgruppe vor und nach VT

Die Prüfung auf Korrelation von NPC und PFV erfolgte aufgrund der Normalverteilung der Differenzwerte mit dem Pearson-Test; diese ergab einen Korrelationskoeffizienten von r = 0,81 und ist statistisch signifikant (p < 0,0001). In dieser Auswertung sind beide Gruppen vertreten und es darf somit gesagt werden, dass einerseits die signifikanten Verbesserungen der Werte von Gruppe A korrelieren, andererseits aber auch die nicht-signifikant veränderten Werte von Gruppe B bezüglich NPC und PFV ebenfalls korrelieren.

Die Analyse der subjektiven Symptome (CISS-Score) und der Werte des Mallettkriteriums ergab weder in der Verum- und in der Kontrollgruppe noch im Vergleich der beiden Gruppen signifikante Veränderungen. In der Verumgruppe zeigte sich eine mittlere Verbesserung der Werte zum Sheard-­Kriterium mit 4,20 cm/m (± 3,95) als statistisch signifikant (p = 0,0084), was sich auch bei Betrachtung der Probandenzahlen zeigt: Vor Durchführung des I.F.S.-VT erfüllten in der Verumgruppe 6 von 10 Probanden das Kriterium, wobei diese Zahl nach dem vierwöchigen Training bei insgesamt 9 Probanden lag. In der Kontrollgruppe stieg die Anzahl der Probanden, welche das Kriterium erfüllten, lediglich von 4 auf 5. Die grafische Darstellung der Veränderungen ist Bild 6 zu entnehmen.

Bild 5: Differenz der PFV in cm/m. Gruppe A: Verumgruppe, Gruppe B: Kontrollgruppe
Bild 6: Prismenwert des Sheard-Kriteriums in cm/m (Sheard-Kriterium = PFV – (2x Nahphorie)). Gruppe A: Verumgruppe vor und nach VT, Gruppe B: Kontrollgruppe vor und nach VT

Diskussion

Das Hauptziel der vorliegenden Studie war herauszufinden, ob es zwischen einer Gruppe, welche das I.F.S.-VT durchführt (Verumgruppe) und einer Gruppe mit Placebotraining (Kontrollgruppe) einen Unterschied bezüglich der Differenz des NPC vor und nach dem Training gibt. Da die statistische Auswertung dieser Haupthypothese einen signifikanten Unterschied ergab, und weil eine klinisch relevante Veränderung des NPC um im Mittel 8,12 cm auftrat, kann gefolgert werden, dass sich durch das I.F.S.-VT der NPC und demnach die Konvergenzfähigkeit bei den konvergenzinsuffizienten Probanden deutlich verbessert hat. Werden die beiden Gruppen aus der Perspektive der Definition der CI innerhalb dieser Studie betrachtet (NPC > 10 cm), so gelten nur 3 der 10 Probanden der Verumgruppe nach Durchführung des Trainings noch als konvergenzinsuffizient, wobei es in der Kontrollgruppe 10 von 10 Probanden sind.

Diese Ergebnisse wären noch überzeugender, wenn gleichzeitig auch die subjektiven Beschwerden reduziert wären. Es zeigte sich aber keine signifikante Verbesserung im CISS-Score, der unmittelbar am Ende der Trainingsphase erhoben wurde. Eine Quantifizierung im CISS-Fragebogen war für die Probanden zum genannten Zeitpunkt schwierig, da sie beim zweiten Messtermin unmittelbar nach dem Training noch nicht genügend Erfahrungen mit der neuen Situation sammeln konnten. So kam es im Rahmen der Angaben zu einer Vermischung des wahrgenommenen Zustandes vor, während und nach dem Training. Therapeutische Effekte können am besten mit Symptom-Tagebüchern erfasst werden, wodurch aber gleichzeitig die Drop-out-Rate der Teilnehmenden ansteigt.12 Die grundlegende Aussagekraft des CISS-Scores in Bezug auf CI wird in der Literatur kritisch diskutiert. Beispielsweise fanden Marran et al. keinen signifikanten Unterschied des Scores bei konvergenzinsuffizienten Kindern im Vergleich zu Kindern mit normalem binokularem Status13, wobei eine Studie von Rouse et al. einen signifikanten Unterschied bei der Analyse des CISS-Scores aufführt.14

Bezüglich des Sheard- und des Mallett-Kriteriums fand Evans signifikante Resultate, was in der vorliegenden Studie nur teilweise bestätigt werden konnte. Die ebenfalls statistisch signifikante Veränderung des Prismenwertes beim Sheard-Kriterium durfte aufgrund der damit in Zusammenhang stehenden Verbesserung der PFV in der Verumgruppe erwartet werden.

Die aus der Auswertung des Mallett-Kriteriums entstandenen Werte waren statistisch schwierig auszuwerten, da bei der Eingangsmessung lediglich 2 Probanden der Verum- und 5 der Kontrollgruppe eine Fixationsdisparität aufwiesen. Davon erfüllten nur ein Proband der Verum- und 2 der Kontrollgruppe das Kriterium nicht. Dieses Resultat war zu erwarten, weil es am Mallett-Test häufig vorkommt, dass die getestete Person die Noniuslinien in Übereinstimmung wahrnimmt und es somit keine Fixationsdisparität gibt. Karania und Evans haben bei 80 % ihrer Probanden (n = 105) keine horizontale Fixationsdisparität gefunden, als sie nur nach der Position der Noniuslinien gefragt haben. Erst als zusätzlich deren Bewegung abgefragt wurde, veränderte sich die Quote auf 61 %.11

Aus den zuvor genannten Gründen kann kein aussagekräftiger Schluss gezogen werden, ob sich das I.F.S.-Training bei Personen mit einer Fixationsdisparität bezüglich dieser positiv auswirkt. Eine größere Probandenzahl oder erweiterte Einschlusskriterien in Bezug auf eine Fixationsdisparität könnten hier mehr Aufschluss geben.

In der praktischen Anwendung erwies sich das I.F.S.-Training als anspruchsvoll, und die Mehrheit der Probanden musste als Konvergenzhilfe anfangs einen Bleistift zwischen Augen und Übungskarte halten. Sobald das Prinzip der Extremkonvergenz jedoch klar und bei der Durchführung der Übungen ein Erfolgserlebnis zu verzeichnen war, stieg die Motivation wieder an. Zur signifikanten Verbesserung des NPC in der Verumgruppe trug mit Sicherheit auch die gute Compliance der Probanden bei, wobei anzumerken ist, dass auch diejenigen Probanden, welche nicht täglich trainierten, trotzdem eine ähnliche Verbesserung erfuhren. Dies lässt vermuten, dass nicht allein die Trainingszeit und die Anzahl absolvierter Übungen, sondern hauptsächlich die Zeitdauer der Extremkonvergenz zum Erfolg des Visualtrainings beiträgt, wie dies bereits Evans feststellte.7 Unterstützt wird diese Hypothese dadurch, dass ein Großteil der Probanden während der gesamten Trainingszeit einen Bleistift als Konvergenzhilfe benötigte, womit sich die Augen in einer andauernden Extremkonvergenz befinden, selbst wenn die Durchführung der betreffenden Übung noch nicht vollständig funktionierte. Cooper et al. hielten bereits 1983 fest, dass konvergenzinsuffiziente Personen vor der Durchführung eines Visualtrainings zuerst lernen müssen, die Konvergenz zu stimulieren, wie hier beispielsweise mit einem Bleistift als anfängliche Konvergenzhilfe.15

Bei richtiger Durchführung der Übungen werden bei allen Karten des I.F.S.-VT 3D-Elemente sichtbar, was die Motivation der Probanden hochhielt und für wahrnehmbare Erfolgserlebnisse sorgte. Insbesondere die Random-Dot-Autostereogramme sind zwar anspruchsvoll, jedoch auch anspornend, da der Proband wissen will, welche 3D-Elemente sich hinter dem Muster verbergen. Eine Studie von Cooper und Feldman zeigte, dass bei der Arbeit mit Random-Dot-Autostereogrammen die Konvergenzfähigkeit in größerem Maße verbessert wird als beim Training mit herkömmlichen Vektogrammen, und dass das Erlernte besser in das „alltägliche Sehen“ übertragen werden kann.16 Ein direkter Vergleich der Resultate der erwähnten Studie mit der vorliegenden Untersuchung ist jedoch nur bedingt möglich, da Cooper und Feldman die Probanden in-office unter Aufsicht trainieren ließen und nicht selbstständig home-based, wie dies mit dem I.F.S.-VT möglich ist.7,16

Abschließend kann festgehalten werden, dass das I.F.S.-VT bei korrekter Durchführung bei konvergenzinsuffizienten Personen zu einer raschen Verbesserung der Konvergenzfähigkeit führt. Bezüglich der Repräsentativität dieser Schlussfolgerung ist zu beachten, dass diese nur für volljährige Personen mit einem NPC von über 10 cm (Haupteinschlusskriterium) gewährleistet ist und dies auch nur bedingt, da weitere Einflussfaktoren aufgrund der geringen Probandenzahl nicht berücksichtigt werden konnten. Um eine bessere Repräsentativität zu gewährleisten, welche die Analyse weiterer möglicher Faktoren und somit die Projektion der Resultate auf eine größere Population erlaubt, wäre eine Studie mit höherer Probandenzahl unter Verwendung von Tagebüchern zur Erfassung der Symptome erstrebenswert.

Tabelle 1: Deskriptive Statistik der Ausgangslage nach Balancierung von NPC und Alter.

Fazit

Mit vorliegender Studie konnten die Resultate der von Bruce Evans durchgeführten „open trial“-Studie2 nun auch in einem randomisiert-kontrollierten Setting bestätigt und untermauert werden. Obwohl Untersuchungen in einer größeren Population zu einer höheren Repräsentativität führen würden, darf festgehalten werden, dass sich das I.F.S.-Visualtraining als Konvergenztraining gut eignet und mit vergleichsweise geringem Zeitaufwand für Patient und Optometrist zu deutlicher Verbesserung der Konvergenzfähigkeit betroffener Individuen führt.


Interessenkonflikt

Die Autorinnen haben keinen Interessenkonflikt in Bezug auf die im Artikel genannten Methoden und Geräte.

Eva Neuschwander

Über Eva Neuenschwander

B.Sc., EurOptom - Eyeness AG, Bern, Switzerland

COE-Fortbildungsprüfung

Die Publikation „Veränderung des NPC bei Personen mit Konvergenzinsuffizienz nach I.F.S.-Visualtraining“ wurde von der Gütegemeinschaft Optometrische Leistungen (GOL) als COE Fortbildungsartikel anerkannt. Die Frist zur Beantwortung der Fragen endet am 1.12.2022. Pro Frage ist nur eine Antwort richtig. Eine erfolgreiche Teilnahme setzt die Beantwortung von vier der sechs Fragen voraus.

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