Interview

Cagnolati im DOZ-Interview zu OCL

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Autoren
1DOZ Verlag
Wolfgang Cagnolati, DSc*, MSc*,  FCOptom, FAAO, Germany *Pennsylvania College of Optometry

DOZ: Herr Cagnolati, wann ist der Wunsch bei Ihnen entstanden, ein internationales Wissenschaftsorgan auf die Beine zu stellen? Gab es so etwas wie eine Initialzündung? Wolfgang Cagnolati:

Der Wunsch, ein international gelesenes deutsches Wissenschaftsorgan für die Optometrie auf die Beine zu stellen, besteht bei mir und anderen Vertretern des Berufsstands schon lange. So initiierte Thomas Nosch, der in den USA sein Studium zum Doctor of Optometry (OD) abgeschlossen hatte, bereits 1989 und 1990 als Präsident der WVAO (Anm. d. Red.: Wissenschaftliche Vereinigung für Augenoptik und Optometrie) und des späteren ZVA (Anm. d. Red.: Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen) die zweisprachige Publizierung von Fachartikeln in Deutsch und Englisch in dem WVAO-Organ „Optometrie“, um deutsche wissenschaftliche und klinische Erkenntnisse aus der Optometrie auch international bekannt zu machen. Leider wurde die Zweisprachigkeit der Fachzeitschrift nach relativ kurzer Zeit wieder eingestellt. Als der DOZ-Verlag mich dann im vergangenen Jahr fragte, ob ich mir die Realisierung einer deutschen Peer-Review-Zeitschrift vorstellen könnte, willigte ich nach reiflicher Überlegung ein - wohl wissend, was dies für mich bedeuten würde.

 

Was bedeutet das konkret für Sie?

Die Einführung einer neuen Peer Review Zeitschrift bedeutet, dass beginnend mit der ersten Ausgabe die Voraussetzungen für eine Indexierung durch die National Library of Medicine (PubMed) sowie weiterer Datenbanken für evidenzbasierte Publikationen beachtet werden. Dies heißt gerade zu Beginn, eine ausreichende Anzahl an wissenschaftlichen und klinischen Arbeiten zu akquirieren, welche diese Voraussetzungen erfüllen. Dies zusammen mit allen weiteren organisatorischen Notwendigkeiten ist sicherlich eine enorme Herausforderung.

Die augenoptische und optometrische Branche ist vergleichsweise klein, gemessen daran gibt es doch einige internationale Fachzeitungen, in denen auch deutschsprachige Wissenschaftler*innen der Branche publizieren. Warum muss es zusätzlich auch die OCL geben?

Sie haben sicher Recht; es gibt heute eine Vielzahl an internationalen Fachzeitschriften für den gesamten Eye-Care-Bereich. Während wir früher nur einige wenige internationale Journale aus dem Bereich der Optometrie und Ophthalmolgie kannten, zum Beispiel „Optometry and Vision Science“ oder „Investigative Ophthalmology & Visual Science“, die in der Regel von Berufsorganisationen herausgegeben wurden, präsentieren sich aktuell immer mehr Peer-Review-Onlinejournale am Markt. Für Publikationen in vielen dieser Fachzeitschriften haben die Autoren eine Publikationsgebühr zu zahlen, andere übernehmen sogar für eine deutlich höhere Gebühr das gesamte Editing der eingereichten Manuskripte. Aus meiner bisherigen beruflichen Erfahrung weiß ich, dass seitens deutschsprachiger Wissenschaftler und Kliniker aus dem Bereich der Optometrie Interesse an einer Publikation in einer deutschen Fachzeitschrift besteht, andererseits dann aber oft nach dem Journal Impact Factor (JIF; Anm. d. Red.: Der JIF ist eine errechnete Zahl, deren Höhe den Einfluss einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift wiedergibt. Zudem gibt er Auskunft darüber, wie oft die Artikel einer bestimmten Zeitschrift in anderen wissenschaftlichen Publikationen durchschnittlich pro Jahr zitiert werden) gefragt wird, der in gewisser Hinsicht ja die Wichtigkeit eines wissenschaftlichen Fachjournals wiedergibt. In dem Maße, in dem unser Berufsnachwuchs an Hochschulen und Universitäten ausgebildet wird, wird die Möglichkeit der Publikation eigener Forschung für Hochschullehrer als auch Absolventen immer wichtiger, um national und international beachtet zu werden. In diesem Kontext wird dann eine deutschsprachige Fachzeitschrift wie die OCL, die ja als Print- und partiell Online-Journal herausgegeben wird, für deutschsprachige Leser, aber auch nationale und internationale Autoren immer wichtiger.

Die wissenschaftlichen Artikel in der OCL durchlaufen ein sogenanntes Peer-Review-Verfahren. Was bedeutet das?

Unter einem Peer-Review-Verfahren verstehen wir die Begutachtung eingereichter wissenschaftlicher Arbeiten durch unabhängige Gutachter. Bei einem doppelblinden Peer-Review-Verfahren, wie wir es bei der OCL anwenden, kennen die Autoren nicht die Gutachter und die Gutachter nicht die Autoren. Auf Basis der Begutachtung wird dann entschieden, ob eine eingereichte Arbeit zur Publikation akzeptiert wird oder nicht. Mitunter müssen die Manuskripte entsprechend der Gutachterkommentare modifiziert werden, um akzeptiert und publiziert zu werden. Letztendlich dient der Peer-Review-Prozess der Qualitätskontrolle der eingereichten Manuskripte und damit der Qualitätssicherung der neuen Fachzeitschrift.

Welche qualitative Aussage geht mit dem Peer Review einher?

Da die eingereichten Manuskripte von Wissenschaftlern und Klinikern aus dem jeweiligen Fachgebiet überprüft werden, wird hiermit in der Regel die Seriosität einer wissenschaftlichen/klinischen Arbeit dokumentiert.

Im Scientific Advisory und im Editorial Board der OCL entdeckt man Ärzt*innen und Optometrist*innen. Gehen Sie davon aus, dass der Mix der Berufsstände in der Branche gut angenommen wird? Oder vielleicht sogar dringend notwendig ist? Und warum?

Sie haben Recht – im Scientific Advisory Board finden sich sowohl Optometristinnen und Optometristen, Ophthalmologinnen und Ophthalmologen als auch Fachleute benachbarter Disziplinen. Darauf sind wir auch besonders stolz. Ein Mix der genannten Berufe ist für die Qualität und Reputation der OCL von entscheidender Bedeutung. Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Editorial und Scientific Advisory Board alle Anforderungen eines Peer-Review-Journals erfüllt und auch von den Lesern und Berufsständen gut akzeptiert wird.

Außerdem wird die OCL das Verbandsorgan der Vereinigung Deutscher Contactlinsen-Spezialisten sein und „die Kontaktlinse“, das vormalige Verbandsorgan, in dieser Funktion ablösen. Wie viel VDCO wird also in der neuen OCL stecken?

Die OCL wird das Mitteilungsorgan der VDCO und als solches die Fachzeitschrift „die Kontaktlinse“ in dieser Funktion ab dem 1. Januar 2022 voll ersetzen. Ich bin Ehrenvorsitzender der VDCO und seit 1990 journalistisch tätig. Der Mitbegründer der VDCO und Vater der deutschen Optometrie Peter Abel hat mich mit seiner Internationalität entscheidend geprägt. Insofern steckt die wissenschaftliche und klinische Neugier der VDCO auch im Projekt OCL.

Außerdem sind Sie Vorsitzender der Gütegemeinschaft Optometrische Leistungen. Wie viel RAL-Gütegemeinschaft wird in der neuen OCL stecken?

Die Güte- und Prüfbestimmungen der Gütegemeinschaft Optometrische Leistungen (GOL) definieren zum jetzigen Zeitpunkt den Goldstandard für die Ausübung der Optometrie in Deutschland. Die in Betrieben mit dem RAL-Gütezeichen für Optometrische Leistungen tätigen sowie alle weiteren auf dem Deutschen Optometristen-Register gelisteten Optometristinnen und Optometristen unterliegen einer Fortbildungspflicht. In jeder Ausgabe von OCL erscheint ein Originalartikel mit dazugehörigen Multiple-Choice-Fragen, die auf der OCL-Website online beantwortet werden können. Hat die Leserin oder der Leser erfolgreich diesen Test bestanden, erhalten sie einen sogenannten COE-Punkt (Anm. d. Red.: Continuing Optometric Education). Diese COE-Punkte werden zurzeit sowohl von der GOL, vom Schweizerischen Berufsverband für Augenoptik und Optometrie SBAO als auch von der VDCO als Fortbildungspunkte anerkannt.

Und wie viel des Menschen, des Optometristen, des Praktikers, kurz der Persönlichkeit Wolfgang Cagnolati wird in der OCL stecken?

Wer mich kennt, weiß, dass in einem Projekt wie Optometry & Contact Lenses 100 Prozent meiner Person steckt.

Was sind denn Ihre persönlichen optometrischen Leib- und Magenthemen?

Das gesamte Spektrum der Optometrie und Ophthalmologie ist heute so breit gefächert, dass es mir schwerfällt, ein Leib- und Magenthema hervorzuheben. Grundsätzlich aber interessieren mich die Bereiche Binokularsehen und Kinderoptometrie/Ophthalmologie, aber auch der Gesamtkomplex vorderer und hinterer Augenabschnitt besonders.

Wissenschaftler*innen müssen von Berufs wegen publizieren. Ist Open Access auch in der OCL möglich?

Ja, bestimmte Artikel erscheinen als Open-Access-Beiträge; dies gilt vor allem für englischsprachige Publikationen. Für alle Autoren gilt aber der identische Weg; die Beiträge müssen entsprechend der OCL-Autorenrichtlinien entweder in Deutsch oder Englisch eingereicht werden. Während in deutscher Sprache eingereichte Arbeiten als Volltext in der Print-Ausgabe und mit dem deutschen und englischen Abstract auf der Website erscheinen, werden in Englisch eingereichte Artikel vom Verlag übersetzt – finden sich dann aber sowohl in der Printausgabe als auch auf der OCL-Website als Volltext.

Welcher Zustand muss eintreten, damit Sie für sich sagen „Die Initiierung der OCL hat sich gelohnt“?

Wenn der Prozess der Medline/PubMed-Indexierung erfolgreich abgeschlossen wurde und sich Optometry & Contact Lenses in der Fachwelt sowohl bezüglich der Anzahl der Leser als auch der Qualität und Menge der eingesandten Fachbeiträge als seriöses und anerkanntes Journal etabliert hat, hat sich die Initialisierung des Projekts OCL sicher gelohnt.