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Eyetracking

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Foto: Adobe Stock / RN-Pixel

Eyetracking-Technologien sind heutzutage weit verbreitet und finden in unterschiedlichen Bereichen Anwendung. Eyetracking zeigt Blickbewegungen auf und findet heute Anwendung in der Werbeforschung, im Design, in der Medizin und in der Psychologie.

Die Daten werden am häufigsten durch Systeme erfasst, die Infrarot-Beleuchtung und eine Kamera verwenden, um die Reflexionen von Infrarotlicht auf den Augen zu erfassen. Durch Algorithmen werden Augenposition und Blickrichtung bestimmt. Ein weiterer Ansatz ist das Anbringen einer kleinen Kamera oder Sensors an die Brille des Benutzers. Diese Kameras oder Sensoren erfassen die Augenbewegungen des Benutzers und übertragen diese Daten an das Eyetracking-System. Die daraus gewonnenen Daten werden zum Beispiel genutzt, um das Erlebnis der Mensch-Computer-Schnittstelle (human-computer interface-HCI) zu verbessern. Entwickler und Webmanager können so gezielt die Webseiten optimieren, um die User Experience zu steigern. Die Technologien finden aber ebenso Anwendung bei der Forschung und Diagnostik. Die Möglichkeiten der Eyetracking-­Technologien im Bereich der Gesundheitsfürsorge sind in den letzten Jahrzehnten umfangreich geworden. Von einfachen physischen Tests in der Augengesundheit und Ergonomie bis hin zu kognitiven Studien über Emotionen und Absichten hat sich die Anwendung dieser Technologie bereits als weit verbreitet erwiesen.

Die Grundlagen hierfür legten frühere Studien, vor allem aus der Zeit von 1985 bis 2014, die sich zum einen mit der Aufgabendecodierung aus Augenbewegungen und den Auswirkungen von Aufgaben beziehungsweise Anweisungen auf Fixierungen befassen und zum anderen mit Blickbewegungen beim natürlichen Sehen, wie Lesen, Auto fahren, visuelle Suche, Billard spielen, Essen kochen und vieles mehr.1 In der Augenheilkunde ist Eyetracking, zum Beispiel in der Hornhautchirurgie und bei der intraokularen Chirurgie eine unverzichtbare Standardkomponente, da sie präzise und eine sofortige Kompensation von Augenbewegungen während der Eingriffe ermöglicht. Auch kann mit Hilfe von Eyetracking, eine räumliche Zuordnung verschiedener Diagnosen stattfinden und sich daraus ein Behandlungsschritt zum genau definierten Augenbereich ableiten. Ein Anwendungsgebiet ist die Patientendiagnostik bei mehreren neurologischen Erkrankungen, die eine hohe Prävalenz bei Dysfunktionen der okulomotorischen Kontrolle und Aufmerksamkeit aufweisen. Hierzu gehören Autismus-Spektrum-­Störung (ASS), Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Fetales Alkohol­syndrom (FAS), Parkinson-Krankheit (PD) und Alzheimer.1

In der Studie von Crabb et al.2 (2014) konnte gezeigt werden, dass es allein mit den aufgezeichneten Daten aus Augenbewegungen möglich ist, Patienten mit altersbedingter neurodegenerativer Augenerkrankung relativ genau von gesunden Personen zu trennen. In der Studie wurden 32 Patienten zwischen 64 und 75 Jahren mit gesundem Sehvermögen mit 44 Patienten zwischen 63 und 77 Jahren mit der klinischen Diagnose Glaukom verglichen. Es wurden Patienten mit glaukomatöser Optikusatrophie gewählt, um beispielhaft auf weitere altersbedingte neurodegenera­tive Erkrankung schließen zu können. Die Probanden sahen sich Fernseh- und Filmclips auf einem Computer an, der mit einem Eyetracker versehen war. Die monokularen Muster von Augenbewegungen wurden während des Ansehens des Fernsehprogramms aufgezeichnet. Die Auswertung ergab, dass die durchschnittliche Sensitivität für die korrekte Identifizierung eines Glaukompatienten bei einer festen Spezifität von 90 Prozent in der Studie 79 Prozent (95 Prozent – KI: 58 – 86 Prozent) betrug. Zum Vergleich: die Spezifität liegt bei der Perimetrie etwa zwischen 85 bis 95 Prozent und ist unter anderem abhängig vom Schweregrad des Glaukoms. Die Sensitivität bei der Perimetrie liegt etwa zwischen 70 und 80 Prozent.

Die experimentelle Studie von Chen et al.3 (2018) weist nach, wie Personen mit Strabismus durch objektive, nicht-­invasive, automatische Messungen durch Eyetracking dia­gnostiziert werden können, statt durch konservative, subjektive Messverfahren. Hierzu wurde ein KI-System basierend auf Eyetracking entwickelt, um zunächst Blickdaten von Personen zu erfassen und nach Merkmalen zu charakterisieren. Auf der Grundlage dieser Merkmale ist das vorgeschlagene System in der Lage zu entscheiden, ob die Person Strabismus hat oder nicht, welches Auge, wie und mit welchem Schweregrad betroffen ist. Das Diagnose-System wurde an 15 normalsichtigen Probanden im Alter von sieben bis 40 Jahren und 10 Strabismus-Probanden im Alter von drei bis 63 Jahren getestet. Die Testpersonen mit Strabismus wurden vorher als solche durch einen Augenarzt diagnostiziert. Das Diagnose-System konnte unter Verwendung der Eyetracking-Daten alle Testpersonen korrekt zuordnen; zudem stimmte die Art und Höhe des Strabismus mit der Diagnose des Arztes überein. Eine Einschränkung auf die Chen et al. aufmerksam machen, liegt bisher noch darin, dass der Strabismus-Winkel noch nicht präzise genug ermittelt werden kann, wie es konservative Messverfahren können.

In einer prospektiven, überwachten Doppelblindstudie von Rajendran et al.4 (2022) wurden okuläre Abweichungen bei 39 Patienten (drei bis 41 Jahre) von einem Augenarzt bewertet und anschließend die Ergebnisse zwischen manuellen Messungen und einem automatisierten Eyetracking-System verglichen. Kinder über drei Jahre mit mäßigem horizontalem Schielen und mit Restschielen waren in die Studie mit eingeschlossen. Als manuelle Teste dienten der Cover-Uncover-Test (CUT) und der alternierende Prismen Cover-Test (PACT). Zudem wurde ein automatisierter alternierender Cover-Test zur Messung horizontaler Abweichungen durchgeführt und das Eyetracking-System angewandt. Die manuellen Messungen sowie der automatisierte alternierende Cover-Test und das Eyetracking-System wiesen eine hoch positive Korrelation (r = 0,932, P < 0,001) auf. Die mittlere Differenz zwischen der manuellen Messungen und dem Eyetracking-System lag bei 1,55 pdpt und bei einer 95 %-Übereinstimmungsgrenze bei ± 10 pdpt. Der Variabilitätsbereich zwischen den beiden Methoden betrug 1 – 16,5 pdpt. Bei vier Patienten stimmten die Befunde der manuellen und automatisierten Systeme exakt überein, 26 Patienten hatten eine Variation im Bereich von 1 – 5 pdpt, acht Patienten hatten eine Variation im Bereich von 6 – 10 pdpt und ein Patient hatte eine Variation von 16,5 pdpt. Zum Vergleich: Auch eine Variabilität von manuellen Testergebnissen fällt je nach Erfahrenheit des Untersuchers, Untersuchungsdauer, Alter des Patienten und weiteren Faktoren gering bis hoch aus. Im Vergleich zum PACT wies das Eyetracking-System eine bessere Wiederholbarkeit nach. Zum gleichen Ergebnis kamen auch Zou et al.5 (2022) in dem sie die Wiederholbarkeit zwischen PACT und einem Eyetracking basierten Test untersuchten. Sie untersuchten 95 Kinder ab 1,8 Jahren und wiesen eine hohe Korrelation von 90 Prozent zwischen den beiden Tests nach. Die Wiederholbarkeit des Eyetracking-Tests war höher als die von PACT (KI = 0,99 bzw. 0,91, p < 0,002) und wurde nicht beeinflusst vom Alter, Schieltyp und Höhe des Strabismus.

Fazit ist, dass die Bandbreite der Eyetracking-Technologie groß ist und universal eingesetzt werden kann. Im Bereich der Diagnose, vor allem in der Augenheilkunde, steckt viel Potenzial in den Systemen, da sie objektive Messungen vollführen und je nach System schnell und einfach im Gebrauch sind. Die genannten Studien zeigen auf, dass im Bereich des Screenings schon heute eine schnelle und einfache Differenzierung mit einer hohen Spezifität möglich ist. Frühe Diagnosen sind entscheidend, um Therapien rechtzeitig zu beginnen. Für den kommerziellen Gebrauch genutzte Eyetracking-Technologien stellen ein vielversprechendes Patienten-Screening dar. 

 


Literaturverzeichnis 

[1] Borji, A., Itti, L. (2014). Defending Yarbus: Eye Movements Reveal Observers’ Task. J. Vis., 14, 29–29.

[2] Crabb, D. P., Smith, N. D., Zhu, H. (2014). What’s on TV? Detecting Age-Related Neurodegenerative Eye Disease Using Eye Movement Scanpaths. Front. Aging Neurosci., 6.

[3] Chen, Z. H., Fu, H., Lo, W. L., Chi, Z., Xu, B. (2018). Eye-tracking-aided Digital System for Strabismus Diagnosis. Healthc. Technol. Lett., 5, 1–6.

[4] Rajendran, J., Rai, K., Shetty, S., Mathangi, V. (2022). Comparison of Measurements between Manual and Automated Eyetracking Systems in Patients with Strabismus – A Preliminary Study. Indian J. Ophthalmol., 70, 3625.

[5] Zou, L., Tian, T., Wygnanski-Jaffe, T., Yehezkel, O., Wang, S., Moshkovitz, A., Sun, X., Liu, H., Liu, R. (2022). Effectiveness and Repeatability of Eye-Tracking-Based Test in Strabismus Measurement of Children. Semin. Ophthalmol., 37, 502–508.

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Über Stephanie Mühlberg

M.Sc. Augenoptik/Optometrie - VDCO