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Hundebissverletzungen bei Kindern: Ein besonderer Fokus auf Verletzungen im Gesichts- und Augenbereich
Hundebissverletzungen bei Kindern sind weltweit ein bedeutendes medizinisches und gesellschaftliches Problem, das oft schwere und langfristige Folgen für die Betroffenen hat.
Medizinische Fachzeitschriften und nationale Gesundheitsbehörden thematisieren immer wieder die Gefahr für Kinder, die von Hunden ausgehen kann.
Verletzungen durch Hundebisse machen etwa 60 – 80 % aller Bissverletzungen aus.1 Essig et al.2 geben an, dass Schätzungsweise 50 % der Kinder im Laufe ihres Lebens einen Hundebiss erleiden. Rund 25 – 43,4 % der Kinder sind unter sechs Jahre beziehungsweise zwischen zwei und sechs Jahre alt 1,3 und 34 % der Kinder befinden sich im Alter von sechs bis 17 Jahre. Häufiger sind Jungen (55,6 – 57,2 %) von Hundebissverletzungen betroffen als Mädchen (44,4 – 43,4 %).3,4 Unter den Zwei-bis Sechsjährigen erleiden 77,7 % eine Gesichts- oder Mundverletzung durch Hundebisse.3 Dies hängt vor allem mit der Körpergröße der Kinder zusammen, da sich ihr Gesicht auf Augenhöhe des Hundes befindet. Die Plattform DogsBite.org, die Daten zu Hundebissen in den USA veröffentlicht, berichtet ebenfalls, dass Kinder unter neun Jahren überproportional häufig in den Kopf- und Gesichtsbereich gebissen werden, was auf die Körpergröße und das oft unvorhersehbare Verhalten junger Kinder zurückzuführen ist.5
Direkte Verletzungen des Auges durch Hundebisse sind weniger häufig als Verletzungen anderer Teile des Gesichts, aber sie können auftreten und sind oft schwerwiegend. Untersuchungen zeigen, dass etwa 10 – 15 % der Hundebissverletzungen im Gesicht direkten Einfluss auf die Augenpartie haben, wobei die Augenlider am häufigsten betroffen sind. Verletzungen des Augenlids können erhebliche funktionelle Beeinträchtigungen verursachen, da das Lid für den Schutz des Auges und die Verteilung der Tränenflüssigkeit unerlässlich ist. In vielen Fällen sind chirurgische Eingriffe notwendig, um die Augenlidfunktion wiederherzustellen und das Risiko von Infektionen oder dauerhaften Beeinträchtigungen zu minimieren.6 Darüber hinaus können auch Tränenkanäle durch Hundebisse beschädigt werden, was eine Rekonstruktion erforderlich macht, um eine normale Tränenproduktion und den Tränenfluss sicherzustellen. Bissverletzungen im Augenbereich sind in 50 % der Fälle mit Rissen oder Durchtrennungen des Augenlids verbunden.7,6 Wakili et al.8 berichteten, dass Lidkantenverletzungen des medialen Unterlides mit Beteiligung der Tränenwege in ihrer Studie am häufigsten vorkamen. Betroffen waren vor allem Kleinkinder vor dem vierten Lebensjahr. Dies deckt sich mit der Studie von Ramgopal und Macy,9 die angeben, dass von insgesamt 67.781 behandelten Patienten mit Hundebiss zwischen 2010 und 2020 in den USA, lediglich 164 (0,2 %) eine direkte Verletzung des Augapfels erlitten.
Zu den häufigen Langzeitfolgen gehören Narbenbildung, Beweglichkeitseinschränkungen des Augenlids und in einigen Fällen eine chronische Tränenflussstörung. Laut DogsBite.org 5 erfordert etwa die Hälfte aller schwereren Gesichtsverletzungen, die durch Hundebisse verursacht wurden, eine Nachbehandlung durch plastische Chirurgie, um kosmetische und funktionelle Schäden zu beheben. Nicht zu vernachlässigen ist die posttraumatische Belastungsstörung, die bei mehr als 50 % der Betroffenen innerhalb eines Jahrs nach dem Biss auftritt und lang anhaltende psychische Veränderungen mit sich bringen kann.10
In der Kasuistik von Habot-Wilner et al.11 wird der Fall einer 23-jährigen Frau beschrieben, die durch einen Hundebiss am Auge verletzt wurde. Als sie zwei Stunden nach dem Ereignis des Traumas in die Klinik kam, betrug die Sehleistung auf dem rechten Auge lediglich die Wahrnehmung von Handbewegungen auf einen Meter Entfernung. Der Biss verursachte eine schwere Verletzung an ihrem rechten Auge, einschließlich eines ausgeprägten Ödems, ein periorbitales Hämatom und eine relativ oberflächliche Unterlidverletzung sowie einer horizontalen, durchgehenden Hornhautläsion, einem Hyphäma und einer Deformation der Pupille, da ihre Iris an der Hornhaut haftete. Die Behandlung begann mit einer sofortigen chirurgischen Reposition des Irisgewebes und der Naht der Hornhautläsion, begleitet von Antibiotika und einer prophylaktischen Tollwutimpfung.
Fünf Tage nach der Operation zeigte sich eine moderate Erholung, jedoch blieb die Sehfähigkeit langfristig eingeschränkt. Ein Jahr nach der Verletzung wurde eine Keratoplastik erforderlich, da Narbenbildung und Katarakt ihre Sehkraft weiterhin beeinträchtigten.
Im Allgemeinen gilt bei Hundebissverletzung ein unverzügliches medizinisches Management, welches eine Spülung und Reinigung der Wunde mit Seife und laufendem Wasser für 15 Minuten beinhaltet. Die WHO empfiehlt einen primären Verschluss der Wunde, wenn diese ein geringes Risiko für die Entwicklung einer Infektion hat, beziehungsweise rät zu einer prophylaktische Gabe von Antibiotika bei Hochrisikowunden oder Menschen mit Immunschwäche. In Abhängigkeit vom Impfstatus des Hundes ist eine Tollwut-Behandlung nach der Exposition sowie eine Verabreichung eines Tetanus-Impfstoffs erforderlich, wenn die betroffene Person keinen ausreichenden Impfstatus besitzt.12
Rothe et al.1 weisen im Artikel „Tier- und Menschenbissverletzungen“ auf eine gezielte Anamnese mit Abstrichen und Blutproben hin, um bei infizierten Bisswunden auf mögliche Infektionen vorbereitet zu sein. Hinweise auf Symptome treten je nach Erreger innerhalb von Stunden bis mehrere Tage auf. „Lokal weisen Rötung, Schwellung, eitrige Sekretion und Schmerzen, allgemein Unwohlsein und Fieber auf eine Infektion hin.1 Durchschnittlich finden sich vor einer Reinigung zwei bis fünf Bakterien aus der oralen Bakterienflora des Hundes an der Bisswunde wieder.
Alles in allem gilt zu beachten, dass ein Hundebiss oft von ein und derselben Hunderasse ausgeführt wird. So kommen Verletzungen durch Pitbulls und Mischlingshunden dieser Art häufiger vor und wirken sich schwerwiegender aus.2 Je nach Studie verursachen Pitbulls die höchste Verletzungsprävalenz und sind für die Bisswunden in 27 %13, 29,8 %4 bis 33,1 %3 der Fälle ursächlich sowie in 47,9 %14 bis 53 % der Fälle, sofern der Pitbull-Mix hinzugezogen wird. Neben den Pitbull verursachen bei Kindern häufig auch Labradore/Labrador-Mischungen (10 %) und Deutsche Schäferhunde/Deutsche Schäferhund-Mischungen (6,5 %) Bisswunden.4
Zusammenfassend berichten die Studien, dass Hundebisse oft zu schweren Gesichtsverletzungen führen und dies insbesondere bei Kindern, weshalb im Umgang mit bestimmten Hunderassen zu erhöhter Vorsicht geraten wird.
DogBite.org bietet eine umfangreiche Aufklärung zu diesem Thema. Auf der Webseite werden wissenschaftliche Informationen aus verschiedenen Fachartikeln dokumentarisch zusammengefasst, Informationen über Hunderassen erstellt und Opferberichte sowie aktuelle Nachrichten zum Thema bereitgestellt.
Literatur
1 Rothe, K., Tsokos, M., Handrick, W. (2015). Animal and Human Bite Wounds. Dtsch. Ärztebl. Int., 112, 433–442.
2 Essig, G. F., Sheehan, C., Rikhi, S., Elmaraghy, C. A., Christophel, J. J. (2019). Dog Bite Injuries to the Face: Is There Risk with Breed Ownership? A Systematic Review with Meta-Analysis. Int. J. Pediatr. Otorhinolaryngol., 117, 182–188.
3 Peifer, S. J., LoTurco, H., Duffield, S. J., Zhang, K., Javier, N., Herman, B. (2024). Pediatric Head and Neck Dog Bites in the United States: A NEISS Database Investigation of Risk Factors and Escalation of Care. J. Craniofac. Surg., 35, 1664–1666.
4 Reuter Muñoz, K. D., Powell, L. E., Andersen, E. S., Nye, A. D., Powers, J. M., Rhodes, J., Pozez, A. L. (2021). Analysis of Pediatric Dog Bite Injuries at a Level 1 Trauma Center Over 10 Years. Ann. Plast. Surg., 86, S510–S516.
5 DogsBite. (2024). DogsBite, https://www.dogsbite.org. Referencing: 26.10.2024
6 O’Brien, D. C., Andre, T. B., Robinson, A. D., Squires, L. D., Tollefson, T. T. (2015). Dog Bites of the Head and Neck: An Evaluation of a Common Pediatric Trauma and Associated Treatment. Am. J. Otolaryngol., 36, 32–38.
7 Patronek, G. J., Slavinski, S. A. (2009). Animal Bites. J. Am. Vet. Med. Assoc., 234, 336–345.
8 Wakili, N., Gusek-Schneider, G. C., Holbach, L. M. (2001). Lid- und Gesichtsverletzungen nach Hundebiss [1]. Klin. Monatsblätter für Augenheilkd., 218, 229–231.
9 Ramgopal, S., Macy, M. L. (2021). Pediatric Patients with Dog Bites Presenting to US Children’s Hospitals. Inj. Epidemiol., 8, 55.
10 Peters, V., Sottiaux, M., Appelboom, J., Kahn, A. (2004). Posttraumatic Stress Disorder after Dog Bites in Children. J. Pediatr., 144, 121–122.
11 Habot-Wilner, Z., Desatnik, H., Greenbaum, A., Barequet, I. S. (2006). An Intraocular Injury from a Dog Bite. Isr. Med. Assoc. J. IMAJ, 8, 67–68.
12 WHO. (2024). Animal Bites, https://www.who.int. Referencing: 26.10.2024.
13 Khan, K., Horswell, B. B., Samanta, D. (2020). Dog-Bite Injuries to the Craniofacial Region: An Epidemiologic and Pattern-of-Injury Review at a Level 1 Trauma Center. J. Oral Maxillofac. Surg., 78, 401–413.
14 Boyd, L. C., Chang, J., Ajmera, S., Wallace, R. D., Alvarez, S. M., Konofaos, P. (2022). Pediatric Dog Bites: A Review of 1422 Cases Treated at a Level One Regional Pediatric Trauma Center. J. Craniofac. Surg., 33, 1118–1121.