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Interview mit Fabienne Eckert

Generalsekretärin des Europäischen Verbands für Optometrie und Optik (ECOO)

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Fabienne Eckert, Generalsekretärin des Europäischen Verbands für Optometrie und Optik (ECOO)

Die Fachzeitschriften waren in den vergangenen Monaten gefüllt mit der Nachricht, dass Fluoreszein-Streifen weiterhin von Optometristen zur Kontaktlinsenanpassung verwendet werden dürfen. Die langjährigen Verhandlungen der ECOO zur Verordnung für Medizinprodukte (Medical Device Regulation (MDR)) wurden größtenteils in technischen Ausschüssen auf EU-Ebene abgehalten und in den jährlichen ECOO-Treffen mit Mitgliedern besprochen. Für viele Optometristen und Kontaktlinsenanpassenden ist es nun interessant, mehr über die Details zur Klassifizierung von Fluoreszein-Streifen als Medizinprodukt zu erfahren, da sie natürlich maßgeblich von dieser guten Neuigkeit betroffen sind.

Fabienne Eckert wird im Interview mit der VDCO aufklären und darstellen, wie die Mitgliedsstaaten der ECOO gemeinsam die Klassifizierung der Fluoreszein-Streifen als Medizinprodukt für die Kontaktlinsenanpassung erreicht haben.

Machen wir uns nichts vor: Kontaktlinsenanpassung, Einschätzung von Dry-Eye-Symptomen und vieles mehr ist ohne die Verwendung von Fluoreszein-Streifen unpraktisch und in gleicher Qualität nicht möglich.

VDCO: Wie kam es dazu, dass Fluoreszein-Streifen auf einmal im Fokus des Medizinproduktgesetzes standen und wann war das?

Fabienne Eckert: Im Jahr 2001 wurden in das nicht verbindliche Meddev-Dokument Fluoreszein-Streifen als ein Beispiel für ein Arzneimittel genannt. Zehn Jahre lang blieb dies unbemerkt und als 2011 an die Befolgung dieses Leitfadens erinnert wurde, begann die Fluoreszein-Problematik. Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic agierte hier als erstes und die Herstellung von Fluoreszein-Streifen als Medizinprodukt wurde in Europa größtenteils eingestellt.

Welche Folgen hatte dies für die Augenoptiker und Optometristen nach 2011?

2012 kam es in einigen Ländern zu Versorgungsproblemen und es bahnte sich eine Situation an, in der Optiker und Optometristen keine Fluoreszein-Streifen mehr verwenden dürfen, wenn diese nur als Arzneimittel eingestuft werden. Um diese Situation zu klären, kam es am 15. März 2012 zu einem ersten Treffen mit der Europäischen Kommission. Die Klassifizierungen basieren auf den rechtlichen Definitionen. Demnach begann ein jahrelanges Sammeln von Beweisen und Treffen mit der Europäischen Kommission, um die Anwendung von Fluoreszein-Streifen in der Kontaktlinsenanpassung zu erklären und auf die Definitionen anzuwenden. Es stellte sich auch heraus, dass weitere Definitionen, wie zum Beispiel die einer „Diagnose“, noch erarbeitet werden mussten.

Im Jahr 2013 kam es zu einem Rückschlag durch die Europäische Arzneimittel-Agentur und zur Verzögerung von Entscheidungen. Warum dauerten die Verhandlungen so lange?

Die Europäische Kommission hat die Europäische Arzneimittel-Agentur um eine Meinung zu der Klassifizierung von Fluoreszein-Streifen gebeten. Basierend auf der Definition eines Arzneimittels, wurden Fluoreszein-Streifen bei diagnostischen Anwendungen in der Tat als Medikament bestätigt.Es gibt natürlich auch die Definition eines Medizinproduktes, die jedoch nicht Teil dieser Analyse war, aber für die Kontaktlinsenanpassung sehr relevant ist. Zudem begann die Arbeit an der Definition einer „Diagnose“, welche ausschlaggebend für die Klassifizierung sein würde. Diese Arbeit auf EU-Ebene hat sehr lange gedauert und involvierte natürlich auch die Mitgliedsstaaten. Zeitnah begann die Entwicklungen der Europäischen Verordnung für Medizinprodukte (MDR), was alles noch einmal verzögerte, da alle Dokumente und Leitlinien auf die MDR angepasst werden mussten. Zusammen mit EUROMCONTACT, EUROM VI und EFCLIN waren wir jedoch all die Jahre aktiv und haben das Thema immer auf der Agenda halten können. Wir konnten auch das mögliche Verbot der Fluoreszein-Streifen als Medizinprodukt, bis es eine offizielle Entscheidung geben würde, hinhalten

Was war der Schlüssel dazu, um die Entwicklungen positiv beeinflussen zu können?

Im Jahr 2018 wurde ECOO in mehreren MDCG-Expertengruppen zugelassen, mitunter zu „Grenzfällen und Klassifizierungen“ (Borderline & Classification). Durch diese Anerkennung gewann die ECOO an Mitspracherecht. 2018 und 2019 nahm die ECOO an mehreren Sitzungen teil, in denen das Thema Fluoreszein mit besprochen wurde und es wurden bilaterale Treffen mit Mitgliedsstaaten abgehalten. Im Jahr 2019 wurde die erste Definition der Diagnose veröffentlicht, ECOO kommentierte das neue Borderline & Classification Dokument unter der MDR.

Nach jahrelangen Verhandlungen und Diskussionen bis 2022 ist das Ergebnis laut MDCG 2022-5 – Leitfaden zur Abgrenzung zwischen Medizinprodukten und Arzneimitteln gemäß der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte, veröffentlicht am 26. April 2022, dass Fluoreszein-Streifen nur für die Anpassung von Kontaktlinsen verwendet werden dürfen. Fluoreszein-Streifen, die zur Beurteilung der Integrität der Hornhaut bestimmt sind, sollten nicht als Medizinprodukt eingestuft werden.

Was haben die ECOO und deren Mitgliedsorganisationen und Verbände, zu denen auch die VDCO gehört, aus diesem langjährigen Prozess gelernt?

Lobbyarbeit braucht viel Zeit! In diesem Fall zehn Jahre und sechs ECOO-Präsidenten. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass sich Beharrlichkeit auszahlt. Das Entscheidende war, mit einer Stimme zu sprechen: ECOO auf EU-­Ebene, Mitglieder auf nationaler Ebene. Auf den Aufbau von Beziehungen zu politischen Entscheidungsträgern, eine gute Beweisgrundlage und die Gründung von Koalitionen der Interessenvertreter kann nicht verzichtet werden.

Die VDCO bedankt sich bei Fabienne Eckert für die Einblicke in die Arbeit der ECOO.


Wird ein höheres Ziel verfolgt, ist es sinnvoll, wenn alle Institutionen auf diesem Gebiet kooperieren. Die VDCO will dies für künftige Projekte mitnehmen und strebt die Aufrechterhaltung enger Zusammenarbeit mit anderen Verbänden an.

Ein Ziel, welches wir gemeinsam erreichen können, ist die Etablierung und stärkere Anerkennung der Optometrie in Deutschland beim Gesetzgeber und Endverbraucher.