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Low-Level-Red-Light-Therapie zur Myopiekontrolle

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Neben den bisher bewerten Therapien zur Kontrolle der Myopieprogression bei Kindern wie niedrig dosiertes Atropin, Orthokeratologie, multifunktionale weiche Kontaktlinsen und Brillengläser mit D.I.M.S.-Technologie, wurde kürzlich in China auch die Wirksamkeit der Bestrahlung der Augen mit niedrig dosiertem Rotlicht, der Low-Level-Red-Light-­Therapie (RLRL/ LLRL) durch mehrere Studien bestätigt. Die LLRL zeigte in den kontrollierten Studien mit chinesischen Kindern im Alter von sechs bis 16 Jahren über einen täglichen Anwendungszeitraum von sechs bis zwölf Monaten einen positiven Kontrolleffekt auf das sphärische Äquivalent (SA) sowie auf das axiale Längenwachstum (AL).

Bei der LLRL handelt es sich um eine direkte und wiederholte Exposition der Makula mit rotem Licht. Die Sicherheit der LLRL in Hinblick auf mögliche photochemische und thermische Schädigungen der Netzhaut konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden.

Studienergebnisse zur Low-Level-Red-Light-Therapie (LLRL)

Salzano et al.1 verglichen die Verfahren und Vorgehensweise einzelner Studien zur Myopiekontrolle durch Rotlicht-Behandlung in einem Review-Artikel. Sämtliche Studien führten das Verfahren mit Rotlicht-Geräten durch, die eine Wellenlänge zwischen 650 ± 10 nm nutzten. Die LLRL wurde bei den Probanden über alle Studien hinweg zweimal täglich an mindestens fünf bis sieben Tagen/Woche für jeweils drei Minuten zwischen sechs bis zwölf Monaten oder länger angewandt. Zwischen den einzelnen Anwendungen lag je ein zeitlicher Abstand von mindesten vier Stunden.

Bei der Anwendung von LLRL über einen Zeitraum von zwölf Monaten kam es zu einer verringerten Myopieprogression, gemessen am mittleren sphärischen Äquivalent (SA) bei einem Konfidenzintervall von 95 Prozent in Höhe von 1,23 ±  0,18 dpt,2 0,69 ± 0,19 dpt,3 0,60 ± 0,40 dpt,4 0,59 ± 0,13 dpt.5 Bereits nach sechs Monaten zeigten sich bei den Studien sowie weiteren von Dong et al.6, Tian et al.7 und Xiang et al.8 eine erfolgreiche Reduzierung der Progression des SA. Betrachtet man neben dem SA die Achslänge des Auges (AL), so wird auch hier in den Studien die Verlangsamung der Myopieprogression bestätigt. Bei einer Dauer der LLRL-Anwendung zwischen sechs und zwölf Monaten konnte die AL-Progression um 21 Prozent bis 63 Prozent im Vergleich zu den Kontrollgruppen, die Einstärkenbrillengläser trugen 5,6,7,2 oder einer 0,01 %-Atropin-Behandlung unterlagen,9 verringert werden. Dong et al.6 setzten auch der Kontrollgruppe einem Rotlicht mit einer auf zehn Prozent reduzierten üblichen LLRL-Intensität aus und konnten auch in dieser Gruppe eine verringerte Zunahme der AL um 0,13 mm im Vergleich zur angenommenen physiologischen Zunahme der AL von über 0,20 mm innerhalb des sechsmonatigen Zeitraums messen. Die Autoren schlossen hieraus eine erfolgreiche Myopiekontrolle durch LLRL auch bei niedriger Behandlungsintensität. Jiang et al.5 verglichen in ihrer Studie innerhalb der Kohorte die Auswirkung unterschiedlicher Compliance miteinander. Selbst bei einer reduzierten Anwendung des Verfahrens konnte die Myopieprogression verlangsamt werden. Patienten mit einer Compliance von > 75 Prozent hatten einen Rückgang der AL-Progression um 76,8 Prozent, während Patienten mit einer Compliance von < 50 Prozent einen Rückgang der AL-Progression um 44,6 Prozent aufwiesen.

Bei der Anwendung der LLRL über einen Zeitraum von 24 Monaten wiesen Xiong et al.4 einen langanhaltenden, positiven Myopiekontrolleffekt durch LLRL nach. Innerhalb dieser Zeit veränderte sich das axiale Längenwachstum um 0,16 mm im Vergleich zu einem Anstieg von 0,64 mm in der Kontrollgruppe ohne LLRL.

Rebound-Effekt und Wirksamkeit

Zwei, der von Salzano et al.1 analysierten Studien untersuchten die Veränderungen von AL und SA nach der Beendigung der LLRL. In der Studie von Chen et al.3 stieg die AL um 0,20 mm innerhalb von drei Monaten nach Behandlungsende. Xiong et al.4 ermittelten den Rebound-Effekt nach einem Jahr. Sie verglichen die LLRL-Gruppe, die nach der Therapie auf eine Einstärkenbrille umstieg mit der Kontrollgruppe, die stetig eine Brille trug. Die AL nahm in der Kontrollgruppe um 0,28 mm (n = 41) zu, während die AL der anderen Gruppe, die vorab LLRL erhielt um 0,42 mm (n = 52) anstieg.

Wie die LLRL genau wirkt, ist bisher unzureichend untersucht, weshalb das Verfahren für die Myopiekontrolle bislang keine Zulassung der FDA erhielt. Eine Studie von Ostrin und Schill10 untersuchte in diesem Zusammenhang die thermisch und photochemisch maximal zulässige Exposition (MPE) auf der Netzhaut von zwei LLRL-Geräten, die aktuell zur Myopie-Kontrolle eingesetzt werden. Bei den Geräten Sky-n1201a, das eine Wellenlänge von 654 nm verwendet und Future Vision, welches eine Wellenlänge von 652 nm nutzt, betrug die errechnete MPE für photochemische Schäden 50 – 625 s beim Durchmesser der Pupille von 2 – 7 mm. Nach drei Minuten kontinuierlicher Durchführung der LLRL am Phantomauge näherten beziehungsweise übertrafen beide Geräte die MPE. Dies führte die Autoren zur Schlussfolgerung, dass die Netzhaut in Verbindung mit den genannten Geräten möglicherweise einem erhöhten Risiko für photochemische Schäden ausgesetzt ist. Sie weisen darauf hin, bei der Anwendung zur Myopiekontrolle zurückhaltend zu sein bis einheitliche Sicherheitsstandards klinisch bestätigt werden konnten.

Salzano et al.1 nehmen eine Beeinträchtigung des retino­choroidalen Stoffwechsels beziehungsweise der zelluläre Toxität, die zu strukturellen Schäden am Sklerakollagen führt, an, die zu der reduzierten AL führt. Ebenso könnte eine erhöhte Aderhautdicke, die während der LLRL-Behandlung gemessen wurde und nach Beenden wieder zurückging für die reduzierte AL sowie den darauffolgenden Rebound-Effekt verantwortlich sein.

Ausblick

Bisher fehlt es an Langzeitstudien bei der Kontrolle der Myopie durch LLRL in unterschiedlichen Populationen, um eine Langzeiteffektivität im Vergleich zu anderen Therapien zu bestätigen. Zudem sind zusätzliche klinische Untersuchungen zur Untersuchung der Netzhaut angeraten, um mögliche Schädigungen durch Rotlicht auszuschließen. Salzano et al. fassen es wie folgt zusammen: „For any myopia control
mechanism, including low-level red light, safety of the treatment must be paramount.
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Über Stephanie Mühlberg

- M.Sc.

Literatur

[1] Salzano, A. D., Khanal, S., Cheung, N. L., Weise, K. K., Jenewein, E. C., Horn, D. M., Mutti, D. O., Gawne, T. J. (2023). Repeated Low-Level Red-Light Therapy: The Next Wave in Myopia Management? Optom Vis Sci, 100, 812–822.

[2] Zhou, L., Tong, L., Li, Y., Williams, B. T., Qiu, K. (2023). Photobiomodulation Therapy Retarded Axial Length Growth in Children with Myopia: Evidence from a 12-Month Randomized Controlled Trial Evidence. Sci Rep, 13, 3321.

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[8] Xiong, F., Mao, T., Liao, H., Hu, X., Shang, L., Yu, L., Lin, N., Huang, L., Yi, Y., Zhou, R., Zhou, X., Yi, J. (2021). Orthokeratology and Low-Intensity Laser Therapy for Slowing the Progression of Myopia in Children. BioMed Research International, 2021, 1–10.

[9] Chen, Y., Xiong, R., Chen, X., Zhang, J., Bulloch, G., Lin, X., Wu, X., Li, J. (2022). Efficacy Comparison of Repeated Low-Level Red Light and Low-Dose Atropine for Myopia Control: A Randomized Controlled Trial. Trans. Vis. Sci. Tech., 11, 33.

[10] Ostrin, L. A., Schill, A. W. (2024). Red Light Instruments for Myopia Exceed Safety Limits. Ophthalmic Physiologic Optic, opo.13272.