Originalartikel

Postoperative Stabilität der Refraktion nach Katarakt-Operation

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Veröffentlicht am:
1 Prof., Ph.D.
2 B.Sc. Augenoptik/Optometrie, EurOptom
3 Berliner Hochschule für Technik (BHT), Berlin, Germany
4 Artemis MVZ, Beckum, Germany
Schlüsselwörter
Katarakt
postoperative Refraktion
Refraktionsbestimmung
Wiederholbarkeit Autorefraktometer
Intraokularlinsen (IOL)
Keywords
Cataract
postoperative refraction
refraction measurement
repeated automated refractometry
Intraocular lenses (IOL)
Zusammenfassung

Absicht:

Die vorliegende Arbeit soll den Zeitpunkt nach einer komplikationslosen Katarakt-Operation ermitteln, zu welchem eine hinreichend stabile Refraktion vorliegt.

Probanden und Methoden:

Bei 61 Probanden (74,23 ± 7,11 Jahre), die sich einer einseitigen Katarakt-Operation unterzogen hatten, wurde die postoperative Refraktion mit einem Autorefraktometer fünfmal in unterschiedlichen Abständen von einem Tag bis zu acht Wochen postoperativ bestimmt. Für das sphärisches Äquivalent (SÄ) und für den Zylinder wurden für jeden Messzeitpunkt die Differenzen zum letzten Messzeitpunkt in der siebten oder achten postoperativen Woche gebildet. Mittels Friedman-Test für verbundene Stichproben wurde auf Unterschiede zwischen den je fünf Messreihen für SÄ bzw. Zylinder geprüft. Zudem wurden bei 16 augengesunden Probanden ähnlichen Alters zwei Wiederholmessreihen durchgeführt und die Messunsicherheit ermittelt (± 1,96 SD für die Messwertdifferenzen).

Ergebnisse:

Für das SÄ konnte kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den einzelnen Wiederholmessreihen festgestellt werden. Der Zylinder wies am ersten postoperativen Tag einen signifikant höheren Betrag als an allen Folgeterminen auf, zeigte jedoch zwischen allen nachfolgenden Untersuchungsterminen keinen signifikanten Unterschied. Die Messwertdifferenzen für SÄ zwischen einem Messzeitpunkt und dem Referenzzeitpunkt (7-8 Wochen postoperativ) ergaben 95%-Konfidenzintervalle (± 1,96 SD) von rund ± 2,00 dpt am ersten postoperativen Tag sowie zwischen ± 1,20 und ± 0,80 dpt in den postoperativen Wochen 1, 3 und 5. Die entsprechenden Konfidenzintervalle für den Zylinder betragen ± 2,00 dpt am ersten Tag und zwischen ± 1,27 und ± 0,88 dpt in den postoperativen Wochen 1, 3 und 5. Mit Zunahme der zeitlichen Differenz zum Tag der Operation zeigte sich ein leicht abnehmender Trend für die Streuung des SÄ und des Zylinders. Die Messunsicherheit für automatische Refraktometrie am älteren Auge wird hier mit ± 0,80 dpt für das SÄ und mit rund ± 1,16 dpt für den Zylinder geschätzt.

Schlussfolgerung:

Die Refraktion des pseudophaken Auges kann bereits ein bis drei Wochen nach einer komplikationslosen Katarakt-Operation hinlänglich sicher bestimmt werden. Dadurch können Sehhilfen zur Korrektion von Restfehlern oder der Presbyopie früher als bisher verordnet und die Anzahl der im Hinblick auf eine stabile Refraktion notwendigen Nachkontrolltermine reduziert werden.

Abstract

Aim:

The goal of the present study is to determine how much time must pass after a cataract surgery with no complications to achieve a sufficiently stable refraction.

Subjects and methods:

We measured the postoperative refraction of 61 pseudophakic subjects (mean age: 74.32 ± 7.11 years) five times with an autorefractor. The subjects had undergone unilateral cataract surgery and the time intervals for the measurement went from one day to eight weeks after the operation. In order to obtain the spherical equivalent (SE) and the cylinder power, the difference from each measurement and the last measurement in the seventh or eighth week post-surgery was taken. The Friedman test for paired samples was used to see if there were any significant differences in spherical equivalent and cylinder power in the 5 measurements taken. In addition, two repeated measurements were taken on one eye of 16 phakic subjects with good ocular health pertaining to a similar age group to determine the measurement uncertainty of the autorefractor (± 1.96 SD for the measured value differences).

Results:

In the case of the spherical equivalent, we found no statistically significant difference between the individual repeated test series. The cylinder power was significantly higher on the first day after the operation than during all subsequent appointments, but then showed no significant difference between all measurements taken during the examinations after the first day. The differences in the spherical equivalent between one measurement and the reference measurement (7-8 weeks after the surgery) resulted in 95% confidence intervals (± 1.96 SD) of approximately ± 2.00 dioptres (D) on the first day post-surgery and lay between ± 1.20 D and ± 0.80 D in post-surgery weeks 1, 3 and 5. The corresponding confidence intervals for the cylinder power were ± 2.00 D on the first day post-surgery and lay between ± 1.27 D and ± 0.88 D in post-surgery weeks 1, 3 and 5. The statistical dispersion of the spherical equivalent and the cylinder power decreased slightly as the time from the surgery increased. We estimated a measurement uncertainty for automated refractometry performed on older phakic eyes of ± 0.80 D for the spherical equivalent and ± 1.16 D for the cylinder power.

Conclusion:

The refractive power of a pseudophakic eye can be determined with sufficient certainty after one to three weeks after undergoing cataract surgery without complications. This means that optical aids to correct any residual refractive error or presbyopia can be prescribed earlier than before and, hence, the number of follow-up appointments required to measure a stable refraction can be reduced.

Hintergrund

Die Katarakt zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Auges. Für das Jahr 2012 werden rund eine Million in Deutschland lebende Menschen mit einer Katarakt angegeben, und bis zum Jahr 2030 wird ein Anstieg von rund 25% prognostiziert.1 Die allermeisten Katarakte entfallen auf die Cataracta seniles – einer mit höherem Lebensalter zunehmend häufig vorkommenden Form.

Die Entfernung der Katarakt mit anschließender Implantation einer künstlichen Intraokularlinse (IOL) zählt zu den am häufigsten durchgeführten Operationen in der Medizin. Pro eine Million Einwohner werden in Europa jährlich rund 6.000 bis 7.000 Katarakt-Operationen durchgeführt.2 Meist wird dabei die Methode der Extrakapsulären Kataraktextraktion (ECCE) angewendet, bei der die Linsenkapsel bis auf einen vorderen Teil im Auge verbleibt und die IOL aufnimmt. Dabei wird die gefaltete IOL durch einen in der Nähe des Limbus platzierten Tunnelschnitt in den verbleibenden Kapselsack geschoben, sodass die IOL in der Position der natürlichen Linse im Kapselsack verankert. Die faltbaren IOL erlauben eine sehr schmale Inzision (Schnitt), sodass ein nahtloser Heilungsprozess der Schnittwunde möglich wird. Ist eine beidäugige Operation erforderlich, erfolgt meistens eine zeitversetzte Operation des linken und des rechten Auges, um schwerwiegende beidseitige Komplikationen zu vermeiden.

Die Brechkraft der zu implantierenden IOL hängt u.a. von der Baulänge, von der Vorderkammertiefe und vom Hornhautradius des Auges sowie von der zu erwartenden Linsenposition im Auge ab. Zur Ermittlung der Brechkraft sind deshalb verschiedene biometrische Messungen notwendig sowie die Angabe einer Zielrefraktion, die in den meisten Fällen als Emmetropie oder als eine geringe Myopie angenommen wird. Die postoperative Refraktion des Auges wird jedoch durch verschiedene Faktoren beeinflusst und erreicht deshalb erst nach einigen Tagen oder Wochen ihren endgültigen Wert. So kann die Operation beispielsweise eine vorübergehende Quellung der Hornhaut bedingen, selbst wenn dieser durch das während der Operation verabreichte Viskoelastikum entgegengewirkt wird.3 Auch vorübergehende Änderungen der axialen Länge, der IOL-Position oder der Vorderkammertiefe zählen zu den kurzfristigen Faktoren, welche vor allem die sphärische Komponente der postoperativen Refraktion beeinflussen können.4 Größe, Lage und Heilungsprozess des Schnittes beeinflussen dagegen eher die Höhe und die Achslage des postoperativen Astigmatismus.5 Des Weiteren kann es nach der Katarakt-Operation zu einer Schrumpfung des Kapselsacks kommen, welche zu einer Dislokation der IOL und damit zu einem Anstieg von Abbildungsfehlern höherer Ordnung führen kann.6 Zu den mittelfristigen Ursachen für eine postoperative Refraktionsänderung zählt das nicht seltene Irvine-Gass-Syndrom, das durch ein meist zwischen der sechsten und zehnten Woche nach der Operation auftretendes zystoides Makulaödem gekennzeichnet ist.7

Nach Einschätzung der Autoren dieser Studie werden in den Augenkliniken und Augenarztpraxen, welche Katarakt-Operationen durchführen, unterschiedliche Zeiten bis zur Stabilisierung der Refraktion angesetzt, und häufig vergehen bis zu acht Wochen nach der Operation, bevor eine endgültige Refraktionsbestimmung bzw. die Verordnung einer Sehhilfe erfolgt. Wann die Refraktion des Auges nach Entfernung der Katarakt und nach Implantation einer Kunstlinse stabil genug ist, um eine Sehhilfe für eventuell noch vorhandene Refraktionsfehler oder für die Presbyopie zu verordnen, wird auch in der Literatur kontrovers diskutiert. Einige Autoren geben eine stabile Refraktion eine Woche postoperativ an,8-10 andere Studien können das nur für den sphärischen Teil der Refraktion bestätigen11 oder geben Änderungen von bis zu einer Dioptrie innerhalb der ersten vier bis sechs Wochen an.7

Das Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, den frühestmöglichen postoperativen Zeitpunkt für eine stabile Refraktion zu bestimmen.

Probanden und Methoden

In die prospektive Studie wurden 61 Probanden (35 w; 26 m) in einem Alter von 74,23 (± 7,11) Jahren und einem postoperativen Visus von 0,64 (± 0,25) am ersten Tag nach der Operation eingeschlossen. Alle unterzogen sich einer Katarakt-Operation an derselben Einrichtung (Augenklinik St. Barbara Klinik in Hamm-Heessen) und anschließend an fünf zeitversetzten Terminen einer Refraktionsbestimmung (postoperative Abstände ein Tag, ca. eine Woche, ca. drei Wochen, ca. fünf Wochen, Abschlussuntersuchung sieben Wochen bis acht Wochen). Alle Probanden wurden an beiden Augen operiert, wobei nur das zuerst operierte Auge für die Studie berücksichtigt wurde. In allen Fällen (29 rechte Augen; 32 linke Augen) wurde eine Hinterkammerlinse mit sphärischer Optik und UV-Filter (SA60AT, Alcon) implantiert. Die Operationen wurden von vier verschiedenen Operateuren ausgeführt, wobei bei allen Probanden manuell ein Tunnelschnitt bis zu 3 mm Breite superior oder supero-temporal gesetzt wurde.

Zu den Ausschlusskriterien zählte ein Visus VCC < 0,1 am ersten postoperativen Tag, akute okuläre Entzündung oder andere Operationskomplikationen, präoperative Narben oder Dystrophien der Hornhaut sowie ein Makulaödem (feuchte Form der AMD, Irvine-Gass-Syndrom). Probanden mit Fixationsschwierigkeiten, z.B. durch Nystagmus oder Amblyopie, wurden ebenfalls ausgeschlossen.

An jedem der fünf Termine wurde die objektive Refraktion mittels Autorefraktometer ARK-760A (Nidek Co., LTD, Japan) mit dreimaliger Messwiederholung bestimmt. Die vom Gerät ausgegebenen und in Stufen von 0,25 dpt gerundeten Mittelwerte für Zylinder und Achse wurden in das Studienprotokoll übernommen.

Zur statischen Auswertung der Messwerte wurde die (Null-)Hypothese aufgestellt, dass die in unterschiedlichen zeitlichen Abständen ermittelte postoperative Refraktion keinen Unterschied zu dem am letzten Tag der Untersuchung ermittelten Referenzwert (= Refraktion 7. bis 8. Woche postoperativ) aufweist. Die Nullhypothese gilt als abgelehnt, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit p für die Gegenhypothese 5% unterschreitet.

Dazu wurde aus den Angaben für die Refraktion (Sphäre, Zylinder, Achse) das sphärische Äquivalent (SÄ) in dpt aus Sphäre und Zylinder (SÄ = Sph + (0,5 × Zyl)) sowie die als Minuszylinder angegebene Differenz zwischen den beiden Hauptschnittswirkungen entnommen. Die Achsenangabe wurde für den Zweck dieser Studie ignoriert, weil die meridionale Lage eines postoperativen Astigmatismus hier nur eine untergeordnete Rolle gegenüber dessen Ausmaß spielt.

Das weitere Vorgehen basiert auf der Annahme, dass eventuelle Refraktionsänderungen auf den Heilungsprozess zurückzuführen sind und die Refraktion deshalb umso stabiler sein müsse, je länger der Zeitpunkt der Operation zurückliegt. Aus diesem Grund wurden die Werte für die letzte Messreihe (7. bis 8. Woche postoperativ) als Referenzwerte festgelegt. Für alle an deren vier Messreihen (1 Tag, 1 Woche, 3 Wochen, 5 Wochen) wurden die Differenzen aus dem Messwert für SÄ und Zylinder und dem jeweiligen Referenzwert (Wert bei Abschlussuntersuchung) gebildet. Beträgt das SÄ am ersten Tag postoperativ beispielsweise -2,00 dpt und acht Wochen postoperativ -1,50 dpt, so ergibt sich eine Differenz von -0,50 dpt. Aus den je fünf Wiederholmessreihen für das sphärische Äquivalent und den Zylinder entstehen somit je vier Messreihen mit den Messwertdifferenzen zum letzten Untersuchungstag. Die Reihen mit den Messwertdifferenzen wurden auf Normalverteilung (Shapiro-Wilk-Test) und Varianzhomogenität (Levene-Test) überprüft, was in beiden Fällen abgelehnt werden musste. Die Überprüfung der Hypothese erfolgte deshalb mit der nicht-parametrischen Varianzanalyse nach Friedman mittels der Software IBM SPSS.

Für die Messwertdifferenzen zum Tag der Abschlussuntersuchung wurde analog zu vielen anderen Studien die Standardabweichung (SD) sowie das 95%-Konfidenzintervall für Messwiederholungen (± 1,96 SD) errechnet, unter Missachtung der hier für keine der Messreihen gegebenen Normalverteilung. Das 95%-Konfidenzintervall entspricht dem Bereich, in welchem ein Messwertunterschied zwischen zwei Wiederholmessungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% liegt.12 Anhand dieses Bereiches lässt sich abschätzen, ob ein zwischen zwei Messungen bestehender Unterschied durch die Messunsicherheit des Messverfahrens oder durch eine tatsächliche Änderung der zu messenden Größe erklärt werden kann.

Des Weiteren wurden im Vorfeld 16 augengesunde (phake) Probanden mit ähnlicher Altersverteilung zweimal hintereinander am Autorefraktometer vermessen. Die Differenzen zwischen den Messungen 1 und 2 für SÄ bzw. für den Zylinder wurden mit dem Shapiro-Wilk-Test auf Normalverteilung geprüft und bei Annahme derselben wurde die jeweilige Standardabweichung (SD) sowie das 95%-Konfidenzintervall für Messwiederholungen (± 1,96 SD) errechnet, welches ein Schätzwert für die Messunsicherheit des hier verwendeten Refraktometers darstellt.

Ergebnisse

Die Bilder 1a und 1b zeigen die Verteilung von SÄ und Zylinder zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung in der siebten bis achten Woche nach der Operation. Es ist erkennbar, dass die Werte sowohl für das SÄ als auch für den Zylinder in der Mehrheit der Fälle nahe Null liegen, wobei beide Anteile des Refraktionsfehlers in einem klinisch bedeutsamen Maße streuen. Während die Werte für das SÄ annähernd symmetrisch um Null verteilt sind, liegen alle Zylinderwerte auf Grund der hier verwendeten Minuszylinder-Schreibweise im negativen Bereich und zeigen eine schiefe Verteilung. Der Median für das SÄ beträgt -0,37 dpt (Min = -3,75 dpt; Max = +2,00 dpt) und der Median für den Zylinder beträgt -0,75 dpt (Min = -5,25 dpt; Max = 0,00 dpt).

Figures 1a (and 1b): Distribution of the refraction values at the time of the final examination (n = 61).
Bild 1a (und 1b): Verteilung der Refraktionswerte zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung (n = 61).
Figures 1b (and 1a): Distribution of the refraction values at the time of the final examination (n = 61).
Bild 1b

Bilder 2a und 2b zeigen Lage- und Streumaße für die Messwertdifferenzen zwischen der zu einem bestimmten postoperativen Zeitpunkt ermittelten Refraktion und der zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung ermittelten Refraktion. Es ist erkennbar, dass die Mediane für sämtliche postoperative Zeitpunkte nahe Null liegen, die Streuung (Spannweite, Interquartilsabstand) jedoch am ersten Tag nach der Operation am größten ist. In beiden Diagrammen sind Ausreißer erkennbar, welche durch einen Kreis (Abstand zur Box > 1,5-facher Interquartilsabstand) oder einen Stern (Abstand zur Box > 3-facher Interquartilsabstand) markiert sind. Diese wurden bewusst im Datensatz belassen, da sie in den meisten Fällen als gering betrachtet werden können und in gewisser Weise der in der Praxis der Katarakt-Chirurgie zu erwartenden Situation entsprechen. Ferner zeigen v. a. die Messreihen für die fünfte postoperative Woche eine schiefe Verteilung (Median außermittig).

Figure 2a: Difference between the values of the spherical equivalent.
Bild 2a (und 2b): Unterschied sphärisches Äquivalent (links) und Zylinder (rechts) zwischen verschiedenen Nachkontrollterminen und der Abschlussuntersuchung (n = 61). Die horizontalen Striche zeigen den Median, die Boxen enthalten die beiden inneren Quartile und die Whisker zeigen die Spannweite. Die Kreise zeigen Datenpunkte, welche mehr als der 1,5-fache Interquartilsabstand von der Box entfernt liegen.
Figure 2b: Difference between the values of the cylinder (2b) between different follow-up appointments and the final examination.
Bild 2b

Die jeweilige Analyse aller fünf Messreihen (incl. Abschlussuntersuchung) für das SÄ bzw. die Zylinderwerte mit der Friedman-Varianzanylse für abhängige Stichproben ergab, dass sich das SÄ nicht signifikant zwischen den Messreihen unterscheidet (p > 0,05). Demgegenüber ergab der Test für die Zylinderwerte einen signifikanten Unterschied (p = 0,01) zwischen den Messreihen. Im paarweisen Vergleich bestehen die Unterschiede ausschließlich zwischen dem ersten postoperativen Tag und allen weiteren Untersuchungsterminen. Kein Unterschied (p < 0,05) besteht zwischen den postoperativen Wochen 1 bis 8.

In den Bildern 3a und 3b sind die Beträge für die Abweichungen des sphärischen Äquivalents und des Zylinders analog zu den Bildern 2a und 2b dargestellt. Die Mediane und die Whisker in beiden Diagrammen zeigen, dass die Abweichungen zur Abschlussrefraktion am ersten Tag nach der Operation am größten sind und sich bereits nach ca. einer Woche nur geringfügig von den nachfolgenden postoperativen Wochen unterscheiden.

Figure 3a: Difference between the absolute values of the spherical equivalent.
Bild 3a (und 3b): Unterschied sphärisches Äquivalent (links) und Zylinder (rechts) zwischen verschiedenen Nachkontrollterminen und der Abschlussuntersuchung, als (vorzeichenlose) Beträge dargestellt. Die horizontalen Striche zeigen den Median, die Boxen enthalten die beiden inneren Quartile und die Whisker zeigen die Spannweite. Die Kreise zeigen Datenpunkte, welche mehr als der 1,5-fache Interquartilsabstand von der Box entfernt sind. Die Sterne zeigen Datenpunkte, welche mehr als der 3-fache Interquartilsabstand von der Box entfernt liegen.
Figure 3b: Difference between the absolute values of the cylinder (3b) between different follow-up appointments and the final examination
Bild 3b

Tabelle 1 zeigt die 95%-Konfidenzintervalle für alle Messwertdifferenzen zum Referenzwert (= objektive Refraktion sieben bis acht Wochen postoperativ). Die Intervalle berechnen sich aus der Standardabweichung für die Messwertdifferenzen zwischen je zwei wiederholten Messungen. Sie werden hier aus praktischen Gründen und für den Vergleich mit der Fachliteratur angegeben, obwohl die dafür vorauszusetzende Normalverteilung in keiner der insgesamt acht Messwertdifferenzreihen angenommen werden kann (Shapiro-Wilk-Test p < 0,05 für alle Wiederholmessreihen für SÄ bzw. für Zylinder). Die letzte Spalte zeigt die 95%-Konfidenzintervalle für die Messwertdifferenzen zwischen zwei unmittelbar aufeinander erfolgte Wiederholmessungen der Refraktion eines Auges von augengesundenden und etwa gleichaltrigen Probanden. Sie entsprechen einem Schätzwert für die Messunsicherheit für das in dieser Studie verwendete Autorefraktometer, wenn es für die Refraktionsbestimmung älterer Augen eingesetzt wird.

Tabelle 1 zum Thema: 95%-Konfidenzintervalle für Messwertdifferenzen zwischen je zwei wiederholten objektiven Messungen der Refraktion.
Tabelle 1: 95%-Konfidenzintervalle für Messwertdifferenzen zwischen je zwei wiederholten objektiven Messungen der Refraktion. Als Referenz diente die in der siebten bis achten postoperativen Woche ermittelte Refraktion. Die rechte Spalte zeigt die 95% KI für die Refraktionsbestimmung von altersgleichen gesunden Augen mit dem in dieser Studie verwendeten Refraktometer.

Diskussion

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den postoperativen Zeitpunkt für eine hinreichend stabile Refraktion zu bestimmen. Als hinreichend stabil soll die Refraktion in dieser Studie gelten, wenn mindestens zwei um mehrere Tage auseinander liegende Refraktionsbestimmungen im Mittel als gleich angesehen werden können und wenn deren Messwertdifferenzen zu einem Referenzwert allein durch verfahrensoder physiologisch bedingte Messwertschwankungen zu erklären sind.

Die Bilder 1a und 1b zeigen, dass die Refraktionswerte selbst in der achten postoperativen Woche stark um den Idealwert von Null streuen. Die Abweichungen des SÄ von Null erklären sich einerseits aus Messfehlern, Rundungen, ungenauen mathematischen Modellen bei der Berechnung der IOL-Brechkraft oder aus dem Heilungsprozess, anderseits auch durch Unterschiede bei der Zielrefraktion. Bei präoperativ mittel- oder hochgradig myopen Patienten wird beispielsweise die Zielrefraktion häufig als leichte Myopie angesetzt, weil das schärfere Sehen in der Nähe eher den Sehgewohnheiten vor der Operation entspricht. Die Abweichungen des Zylinderbetrages von Null sind dagegen nicht beabsichtigt, sondern hängen u. a. vom Hornhautastigmatismus ab, der von der Inzision bei der Katarakt-OP zwar beeinflusst, aber nicht neutralisiert werden kann.5,13 Die schiefe Verteilung für den Zylinder erklärt sich dadurch, dass alle Werte als Minuszylinder angegeben wurden und die meisten Augen nur einen sehr geringen postoperativen Astigmatismus aufwiesen.

Die Ergebnisse der Friedman-Varianzanalyse machen deutlich, dass das SÄ keine Unterschiede (Bias) und der Zylinder nur am ersten postoperativen Tag einen Unterschied zu den nachfolgenden Untersuchungsterminen aufweist. Daraus lässt sich ableiten, dass es im Heilungsprozess keine allgemeine Myopisierung oder Hyperopisierung gibt, wohl aber einen höheren Astigmatismus unmittelbar nach der Operation, der sich beispielsweise durch den Einfluss der Inzision auf den Hornhautastigmatismus und dem danach einsetzenden Heilungsprozess erklären lässt.5 Dass die postoperative Zeitspanne einen Einfluss auf die Refraktion hat, zeigen die unterschiedlichen Streubreiten sowohl für das SÄ als auch für den Zylinder in den Bildern 2a und 2b und den Bildern 3a und 3b sowie die unterschiedlich hohen Meridiane in den Bildern 3a und 3b. Diese sind erwartungsgemäß kurz nach der Operation am größten, erreichen aber bereits nach rund einer Woche ein annähernd gleichbleibendes Niveau.

Um aussagen zu können, ob die Streuung der Messwertdifferenzen zwischen zwei Messungen der Refraktion als physiologisch beziehungsweise verfahrensbedingt eingestuft werden kann oder vielmehr durch eine echte Refraktionsänderungen der Probanden hervorgerufen worden ist, bedarf es zunächst eines Blickes in die Fachliteratur: Für die Autorefraktometrie von gesunden jüngeren Augen werden häufig Messunsicherheiten von ± 0,3 bis ± 0,4 dpt (95%-Konfidenzintervall für Messwiederholung) sowohl für das SÄ als auch für den Zylinder angegeben.14-18 Dabei hängt die Messunsicherheit vom Verfahren, vom Abstand zwischen wiederholten Messungen und von der untersuchten Population ab.17 Zumindest für die Autorefraktometrie im jüngeren Auge spielt es dabei je nach Gerät eine erhebliche Rolle, ob die Messungen ohne oder in Zykloplegie ausgeführt werden.18

Zur Messunsicherheit bei älteren phaken oder pseudophaken Augen sind nur wenige aussagekräftige Studien verfügbar. Leinonen et. al geben beispielsweise für die subjektive Refraktionsbestimmung älterer phaker und pseudophaker Augen eine Messunsicherheit von rund ± 0,75 dpt für das SÄ und von rund ± 1,00 dpt für den Zylinder an und führen die gegenüber dem jüngeren Auge größere Streuung auf den durchschnittlich geringeren Visus ihrer Probanden zurück.19 Reeves et al. geben für wiederholte Autorefraktometer-Messungen im pseudophaken Auge an, dass die Differenzen in 25% der Augen außerhalb eines Bereiches von ± 0,50 dpt liegen. Im Unterschied zu der hier vorliegenden Studie beziehen sich diese Angaben jedoch nur auf einen einzigen Messzeitpunkt nach der Operation.20

Aus Tabelle 1 wird ersichtlich, dass die Spannweite (95% KI) für die Messwertdifferenzen am ersten postoperativen Tag rund ± 2,00 dpt für SÄ und Zylinder beträgt und für alle Folgezeitpunkte deutlich geringer ausfällt. Dabei ist zumindest für das SÄ ein Trend für eine abnehmende Spannweite mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Operation beobachten. Dennoch liegt sie auch in der fünften postoperativen Woche noch geringfügig über der geschätzten Messunsicherheit für das hier verwendete Refraktometer. Für den Zylinder bleibt die Spannweite für die postoperativen Wochen 1 und 3 gleich, sinkt jedoch in Woche 5 geringfügig unter das Niveau für die Messunsicherheit des Verfahrens. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Spannweiten sowohl für SÄ als auch für den Zylinder selbst nach drei oder mehr postoperativen Wochen rund doppelt so groß sind wie anderswo für jüngere Augen angegeben (s.o.). Das trifft annähernd auch für die an etwa gleichaltrigen augengesunden Probanden ermittelte Messunsicherheit des verwendeten Refraktometers zu. Zwar zeigt die Studie von Leinonen et al. eine fast ebenso große Messunsicherheit für SÄ und Zylinder von älteren Augen,19 jedoch wurde diese mittels subjektiver Messung bestimmt und ist deshalb nicht direkt vergleichbar. Während Leinonen et al. den bei vielen ihrer älteren Probanden herabgesetzten Visus als Ursache für die größere Messunsicherheit vermuten, muss es für objektive Messungen andere Erklärungen geben. Hierzu zählt die altersabhängige Miosis, die bei 70-Jährigen zu durchschnittlich 2 mm kleineren Pupillendurchmessern als bei 20-Jährigen21 und deshalb möglicherweise zu ungenaueren Autorefraktometer-Messungen führt. Ob die Präzision anderer Geräte oder Verfahren zur Refraktionsbestimmung in geringerem Maße vom Pupillendurchmesser als das hier verwendete Nidek-Autorefraktometer abhängt, bleibt zu prüfen.

Im Hinblick auf die Fragestellung dieser Studie erscheint jedoch entscheidend, zu welchem Zeitpunkt die Streuung der Messwertdifferenzen als hinreichend gering beziehungsweise hinreichend stabil akzeptiert werden kann. Ausgehend von den in den Bildern 2a und 2b sowie in den Bildern 3a und 3b gezeigten Streubreiten und den in Tabelle 1 angeführten Bereichen kann eine hinreichend stabile Refraktion etwa ab der dritten postoperativen Woche angenommen werden, wobei die Streubreite selbst in der ersten postoperativen Woche nur unwesentlich größer ist und aus klinischer Sicht vertretbar erscheint. Insofern untermauern die Ergebnisse die Empfehlung anderer Autoren, dass eine hinreichend genaue Refraktionsbestimmung bereits nach sieben Tagen,9-11 oder zwei Wochen4 möglich sei. Allerdings kann auch argumentiert werden, dass die Grenze für endgültig stabile Refraktionswerte nach nur sieben oder acht Wochen postoperativ noch gar nicht erreicht ist, denn andere Autoren geben z.B. eine hinreichende Stabilität der Refraktion erst nach 90 Tagen an.22

Die Stärken der hier vorliegenden Studie liegen in der verhältnismäßig hohen Probandenzahl, in der vergleichsweise hohen Anzahl von Messwiederholungen und in der lückenlosen Erfassung der Daten für die eingeschlossenen Probanden. Zu den möglichen Kritikpunkten zählt, dass Achsenänderungen des Zylinders unberücksichtigt bleiben. Dazu ist eine Analyse von Vektor-Komponenten erforderlich,23 jedoch sind die vektoriellen Angaben für den Astigmatismus wesentlich schwieriger zu interpretieren als die Angaben für Zylinderbetrag und Achse, weshalb hier auf eine entsprechende Umrechnung verzichtet wurde. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Heilungsprozess und postoperativer Astigmatismus nicht nur von der Größe und der Lokalisation der Inzision, sondern möglicherweise auch von der Art der implantierten IOL abhängig sind. Insofern sind die Ergebnisse im engeren Sinne nur dann aussagekräftig, wenn es sich um eine gleichartige Operationstechnik und gleichartige IOL wie hier beschrieben handelt. Ferner bleibt in der hier vorgelegten Studie unberücksichtigt, inwieweit sich der bestkorrigierte Visus VCC (BVA) nach einer Katarakt-Operation stabilisiert. Sehschärfe und Refraktion sind aber insbesondere dann unabhängig voneinander, wenn die Refraktion mit einem objektiven Verfahren bestimmt wird. Des Weiteren kann argumentiert werden, dass eine Refraktion nur mit einem subjektiven Verfahren hinlänglich genau bestimmt werden kann. Diesem Argument ist gegenüberzustellen, dass die Präzision moderner Autorefraktometer einer subjektiven Refraktionsbestimmung mindestens ebenbürtig18 oder sogar überlegen ist.15

Fazit

Die hier vorliegende Studie kann in Übereinstimmung mit anderen Autoren zeigen, dass die Refraktion des pseudophaken Auges bereits ein bis drei Wochen nach einer komplikationslosen Katarakt-Operation im klinischen Sinne hinlänglich sicher bestimmt werden kann. Dadurch können Sehhilfen zur Korrektion von Restfehlern oder der Presbyopie früher als bisher verordnet und die Anzahl der im Hinblick auf eine stabile Refraktion notwendigen Nachkontrolltermine reduziert werden.


Danksagung

Unser Dank geht an die Ärzt*innen und Mitarbeiter*innen der augenärztlichen überörtlichen Gemeinschaftspraxis in Ahlen für das Engagement bei der Bereitstellung von Geräten, Räumlichkeiten und Probanden.


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Über Holger Dietze

Prof., Ph.D. - Berliner Hochschule für Technik (BHT), Berlin, Germany

Dr. Holger Dietze ist ein promovierter Augenoptiker und Optometrist und leitet seit 2014 den Bachelor-Studiengang Augenoptik/Optometrie an der Berliner Beuth Hochschule für Technik.

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