Originalartikel

Wie disruptiv sind monokulare Vergleichsbedingungen wirklich?

Eine erneute Analyse von 260 Datensätzen zur Beschreibung des binokularen Vorteils beim Lesen

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1 Prof. Dr. phil.
2 SRH Hochschule in Nordrhein-Westfalen, Hamm, Germany
3 M.Sc.
4 Institut für Optometrie, Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), Olten, Switzerland
Schlüsselwörter
binokulare Koordination
binokularer Vorteil
Lesen
Keywords
binocular coordination
binocular advantage
reading
Zusammenfassung

Zweck. Ausgehend von der Tatsache, dass sich beim Lesen mit beiden Augen für ein Augenpaar mit guter binokularer Koordination ein binokularer Vorteil von circa zehn Prozent (kürzere Lese- und Fixationszeiten im Vergleich zu monokularem Lesen) zeigt, soll in der vorliegenden Studie der Einfluss der Qualität des Binokularsehens auf die Effektivität des Lesens untersucht werden.

Material und Methoden. Es wurden binokulare Augenbewegungen (Eyelink II) von 260 Personen erneut ausgewertet. Alle Personen lasen 60 Sätze mit einem Zielwort, das ent­weder häufig oder selten in der deutschen Sprache vorkommt. Zusätzlich wurde für 30 Sätze die Lesebedingung von monokular auf binokular geändert. Für alle Teilnehmer*innen wurde zudem die objektive Heterophorie, sowie die MKH-Heterophorie bestimmt.

Ergebnisse. Für monokulare Lesebedingungen zeigte sich nur ein schwacher allgemeiner Worthäufigkeitseffekt (b = 7,21; t = 1,91; p = 0,06) – dafür verkürzten sich die Fixationszeiten für häufige Wörter aber leicht, wenn die objektive Heterophorie zunahm (b = −4,24; t = −3,82; p < 0,001). Für binokulare Lesebedingungen zeigte sich dagegen ein klarer Worthäufigkeitseffekt (b = −48,77; t = −6,03; p < 0,001) und gleichzeitig eine Interaktion mit der individuellen Heterophorie (Objektiv: b = 8,19; t = 14,57; p < 0,001; MKH: b = 3,27; t = 4,40; p < 0,001).

Fazit. Monokulare Vergleichsbedingungen sind disruptiv, wenn man Personen mit guter binokularer Koordination betrachtet – allerdings stellt sich dieser Effekt als weitaus geringer heraus, als in Diskussion mit Optometristen vermutet. Personen mit guter binokularer Koordination zeigen eindeutig größere „Benefits“ beim Lesen mit beiden Augen.

Abstract

Purpose. Based on the fact that reading with both eyes shows a binocular advantage of about 10 % (shorter reading and fixation times compared to monocular reading) with good binocular coordination, the present study aims to investigate the influence of the quality of binocular vision on the effectiveness of reading.

Material and Methods. The binocular eye movements (Eyelink II) of 260 test subjects were reevaluated. All subjects read 60 sentences in German containing a target word occurring either frequently or rarely in this language. Additionally, the reading condition was changed from monocular to binocular for 30 sentences. Furthermore the objective heterophoria and MCH heterophoria for all participants were determined.

Results. In the case of monocular reading conditions, there was only a weak general word-frequency effect (b = 7.21; t = 1.91; p = 0.06) but fixation times for frequent words shortened slightly when objective heterophoria increased (b = 4.24; t = 3.82; p < 0.001). For binocular reading conditions, on the other hand, there was a clear word-frequency effect (b = 48.77; t = 6.03; p < 0.001) and, at the same time, an interaction with individual heterophoria (objective: b = 8.19; t = 14.57; p < 0.001; MCH: b = 3.27; t = 4.40; p < 0.001).

Conclusion. Monocular reading conditions can be proven to be disruptive when investigating people with good binocular coordination. However, this effect turns out to be much smaller than what is assumed by many optometrists. People with good binocular coordination clearly show greater benefits when reading with both eyes.

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