Editorial: Orthokeratologie immer beliebter
George Jessen, der zu den Gründungsmitgliedern der 1962 gegründeten „Society of Orthokeratology“ zählt, beschrieb erstmalig 1962 mit seinem Paper „Orthofocus Techniques“ eine Methode zur Reduzierung der Myopie.1 Im Jahr 1994 erhielt Paragon Vision Science durch die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) die erste Zulassung für eine Orthokeratologie-Kontaktlinse, die tagsüber getragen werden durfte. 2002 erteilte dann die FDA und im Jahr 2003 die Europäische Union Paragon Vision Science die FDA-Zulassung beziehungsweise die CE-Kennzeichnung für die Paragon Corneal Refractive Therapie (CRT) Kontaktlinse in Verbindung mit einem Über-Nacht-Tragen-Modus.2 Während bis zum Jahr nur wenige Orthokeratologie-Veröffentlichungen in Peer-Review-Journalen erschienen, stieg deren Anzahl nach dem Jahr 2000 enorm an, was auch der Publikation von Bullimore und Johnson zu entnehmen ist.2 Beschäftigten sich anfangs nur wenige Optometristen und Ophthalmologen mit der Anpassung von Orthokeratologie-Kontaktlinsen (Ortho-K), so erkennen wir in den letzten Jahren eine langsame aber kontinuierliche Zunahme dieser Versorgungsart. Dies zeigen auch Zahlen von Morgen et al., welche 2019 im Journal der British Contact Lens Association (BCLA) publiziert wurden.3 Auf Basis einer internationale Befragung von Kontaktlinsen-Anpassern aus 45 Ländern der Welt ermittelten die Autoren einen weltweiten prozentualen Anteil an Ortho-K-Versorgungen von 1,2 Prozent aller angepassten Kontaktlinsen; der höchste Anteil mit sechs Prozent befindet sich in den Niederlanden. Lipson und Curcio publizierte im Jahr 2022 ebenfalls interessante Daten über den aktuellen Stand der Orthokeratologie in den USA.4 Hiernach beträgt der dortige Anteil zur Zeit drei Prozent der verordneten RGP-Linsen. Ungefähr 3000 Eye Care Provider passen momentan Ortho-K-Kontaktlinsen in den USA an. Hiervon sind 87 Prozent Optometristen, sieben Prozent Ophthalmologen und sechs Prozent Optiker. 16 Prozent der befragten Eye Care Provider berichten, dass die Orthokeratologie ein signifikantes Wachstumspotenzial beinhaltet.
135 Jahre nach den wegweisenden Arbeiten von Eugen Fick, Eugéne Kalt und August Müller im Jahr 1888 erlebt die Anpassung von Spezialkontaktlinsen für alle Arten von Ametropien und Hornhauterkrankungen eine weltweite Renaissance. Schaut man sich in diesem Kontext die Besucherzahlen aber auch die Vortragsthemen und Posterpräsentationen des im Januar 2023 in Las Vegas stattgefundenen dreitägigen Global Speciality Lens Symposium an, so erkennt man dies recht deutlich. Die Vielfalt der Indikationen für Spezialkontaktlinsen ist enorm. Hierzu gehört auch die Orthokeratologie und dies vor allem im Zusammenhang mit dem Komplex der Myopiekontrolle. Aber auch die Versorgung von Presbyopie-Patienten mit Ortho-K-Linsen ist heute schon möglich, wie die Publikation von Rainer Bronner in der aktuellen OCL zeigt. Die Möglichkeiten der Versorgung mit Spezialkontaktlinsen sind heute größer denn je. Optometristen und Ophthalmologen sollten sie nur nutzen.
Literaturverzeichnis
[1] Jessen, G. (1962). Orthofocus Techniques. Contacto, 6, 200.
[2] Bullimore, M. A., Johnson, L. A. (2020) Overnight orthokeratology. Contact Lens Anterior Eye, 43, 322-332.
[3] Morgan, P. B., Efron, N., Woods, C. A., Santodomingo-Rubido, J. (2019). International survey of orthokeratology contact lens fitting. Contact Lens Anterior Eye, 42, 450-454.
[4] Lipson, M. J., Curcio, L. R. (2022). Fitting of Orthokeratology in the United States: A Survey of the Current State of Orthokeratology. Optom. Vis. Sci., 99, 568-579.