Interview
Augenverletzungen beim Sport
Herr Dr. Jendrusch, die Dezember-OCL 2024 widmet sich der Thematik „Augenverletzungen“. Welche Relevanz haben Augenverletzungen für den Bereich Sport heute? Schnell publizierte im Jahr 2000 im Deutschen Ärzteblatt [Dt Ärztebl 2000; 97: A 2712–2716 (Heft 41)], dass drei Prozent aller Augenverletzungen beim Sport entstehen. Gelten diese Zahlen immer noch?
Im Sport besteht immer auch das Risiko, zum Beispiel durch Balltreffer oder in Zweikampfsituationen eine Augenverletzung zu erleiden. Leider sind mir keine aktuelleren Zahlen zum von Ihnen oben zitierten Anteil von sportbedingten Augenverletzungen an der Gesamtzahl aller Augenverletzungen in Deutschland bekannt. Augenverletzungen sind im Sport aber nach aktuellen Statistiken relativ selten: Nur circa 1,1 Prozent aller registrierten Verletzungen im Vereinssport1 und circa 1,8 Prozent im Schulsport2 betreffen die Augen. Diese können aber oft auch schwerwiegend sein; so müssen circa 20 Prozent aller Patienten mit sportbedingten Augenverletzungen im Krankenhaus behandelt werden. Über die Hälfte der Verletzten waren arbeits- oder schulunfähig.
Wenn wir nun über Augenverletzungen beim Sport sprechen, interessiert sicherlich, welche Augenverletzungen beim Sport dominieren. Gibt es hier bestimmte Verletzungen, welche bei der Sportausübung besonders oft auftreten?
Bei den summarisch betrachtet relativ seltenen Augenverletzungen beim Sport dominieren mit weit über 50 Prozent die stumpfen Traumata (also zum Beispiel Prellungen). Derartige Augenverletzungen umfassen Augenlidschwellungen, Hämatome oder Risswunden, Hornhautabschürfungen/-erosionen, Risse der Bindehaut und ein Hyphäma. Innere/nervöse Verletzungen/Läsionen oder (Orbita-)Frakturen sind eher selten.
International werden Fußball, Basketball und Badminton als die drei Sportarten mit den höchsten Verletzungsraten genannt. Gilt dies auch für Deutschland, und welche protektiven Maßnahmen empfehlen Sie für diese Sportarten?
Ja, auch in Deutschland handelt es sich häufig um Verletzungen, die durch Bälle (zum Beispiel im Tennis, Squash oder Fußball), Schläger (zum Beispiel beim Squash, Tennis-Doppel, Hockey, Eishockey oder Roll-/Skatehockey) oder Hand- und Ellbogenstöße im Zweikampf (zum Beispiel im Handball, Fußball oder Wasserball) verursacht werden. Dementsprechend sind Sportarten wie Tennis und Badminton aber vor allem Squash und auch das zweikampfbetonte Wasserball im Verletztenkollektiv signifikant überrepräsentiert. Aufgrund des besonderen Verletzungsrisikos wird in diesen Sportarten aus augenärztlicher Sicht schon seit langem die Verwendung einer (Sport-)Schutzbrille empfohlen. Aber auch in Sportarten, die in der Schule betrieben werden (auch wenn sie nicht zu den oben genannten „Risikosportarten“ gehören), vor allem bei zweikampfbetonten (Sport-)Spielen, können sich Gefährdungen für den Augen-/Gesichtsbereich ergeben. Hier sind Verletzungsmechanismen wie der Ellbogencheck oder der gegnerische „Finger im Auge“ aber auch der Balltreffer (zum Beispiel im Basketball) typisch. Die nach DIN 58184 geprüfte, schulsporttaugliche Brille sollte also für fehlsichtige Schüler*innen selbstverständlich sein. (Funktionell) einäugige Kinder sollten bei der Auswahl einer schulsporttauglichen Brille neben der Kennzeichnung „DIN 58184 – SCHULE+SPORT“ auf das Siegel „plus Augenschutz“ beziehungsweise die Normkennzeichnungen ASTM F803-03, ANSI Z87.1, EN 166) achten – auch/insbesondere, um das verbliebene „gesunde Auge“ zu schützen. Diese sind auch für Risikosportarten sinnvoll/empfehlenswert.
Unter den Sportlern gibt es sicher eine Vielzahl an Brillen- und Kontaktlinsenträgern. Was würden Sie einem Brillen- oder Kontaktlinsenträger bezüglich eines Augenschutzes empfehlen, welcher eine Ballspielsportart ausübt?
Hier gilt das Gleiche wie oben genannt für den Schulsport: Sportler*innen in Sportarten mit erhöhtem Augenverletzungsrisiko sowie (funktionell) einäugige Sportler sollten bei der Auswahl einer sporttauglichen Brille auf das Siegel „plus Augenschutz“ beziehungsweise die Normkennzeichnungen ASTM F803-03, ANSI Z87.1, EN 166 achten. Diese Brillen erfüllen zusätzlich zum Beispiel zur DIN 58184 deutlich höhere (auch mechanische) Anforderungen an den Augenschutz im Sport. Natürlich bestehen die Scheiben/Korrektions„gläser“ aus „bruchfesten“ Materialien wie Polycarbonat oder Polyurethanen (zum Beispiel Trivex, PNX 1.53). „Weiche“ Kontaktlinsen wie zum Beispiel Silikon-Hydrogel-Kontaktlinsen sind auch in den meisten Spielsportarten unproblematisch. Diese müssen im Outdoorbereich (zum Beispiel im Tennis oder beim Beachvolleyball oder Radsport) dann aber kombiniert werden mit einer Sport(sonnen)brille, um UV-Schutz, Fahrtwindschutz und Schutz vor Fremdkörpereinwirkung zu gewährleisten.
Gibt es bestimmte Sportarten, bei welchen aus Sicherheitsgründen Kontaktlinsen kontraindiziert sind?
Durch die vielfältigen Möglichkeiten bei der Auswahl der sportartbezogen jeweils geeigneten Kontaktlinse eigentlich nein. In vielen (vor allem Outdoor-)Sportarten ist aber die Kombination von Kontaktlinsen mit einer sporttauglichen Brille sinnvoll oder sogar notwendig, um die Augen und das Gesicht zu schützen – zum Beispiel vor Fremdkörpereinwirkung und/oder schädigendem UV-Licht. Ein wichtiger Aspekt, der den Sportler*innen schon bei der Anpassung vermittelt werden sollte, ist auch eine adäquate/optimale Kontaktlinsenhygiene.
Zum Abschluss interessiert mich noch, wie wichtig nach Ihrer Meinung eine gute Sehschärfe in Hinblick auf die Sicherheit beim Sport ist? Ist eine deutlich reduzierte Sehschärfe ein verstärktes Risiko für Augenverletzungen bei bestimmten Sportarten?
Hierzu gibt es leider – meiner Kenntnis nach – keine Studien/verlässlichen Daten, aus denen sich Kausalzusammenhänge zwischen der Sehschärfe/einer Fehlsichtigkeit und dem Risiko, eine Augenverletzung zu erleiden, ableiten lassen.
Unumstritten ist aber, dass erhebliche Visusminderungen selbst beim Vorliegen automatisierter Bewegungsabläufe zu koordinativen und damit technomotorischen Verschlechterungen führen. Feldstudien zeigen auch, dass (unkorrigiert) fehlsichtige Schüler*innen signifikant schlechtere motorische/koordinative – zum Beispiel schlechtere Balancierleistungen – (aber auch kognitive) Leistungen erzielen, als Augengesunde.
Zudem dokumentieren die in Feldversuchen festgestellten Reaktionszeitverlängerungen, zum Beispiel durch artifizielle Visusreduktionen in gefahrenrelevanten Situationen zum Beispiel beim Skifahren, auch die unfallprophylaktische Bedeutung guten Sehens beim Sport.
1 Sportunfalldatenbank der Ruhr-Universität Bochum und der ARAG Sportversicherung (Düsseldorf)
2 DGUV – Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (Berlin)