Unkorrigierte Hyperopie und schulische Leistungen

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1*Pennsylvania College of Optometry at Salus University, Optometrie Cagnolati GmbH, Duisburg, Germany

Dass eine unkorrigierte Hyperopie einen Einfluss auf die schulische Leistung von Kindern haben kann, ist Optometristen und Ophthalmologen aus ihrer klinischen Praxis seit langem bekannt. Aufgrund fehlender Evidenzen ist das Verordnungsmanagement ermittelter Hyperopien dennoch nicht immer einfach. In einer neueren Studie untersuchten Mavi et al. den möglichen Zusammen­hang zwischen unkorrigierten Hyperopien und schulischen Leistungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 4 bis 17 Jahren mit einer unkorrigierten Hyperopie jeglichen Grades. Für ihre Literaturstudie nutzten die Wissen­schaftler neun elektronische Datenbanken, in welchen sie nach publizierten Arbeiten bezüglich des Zusammenhangs zwischen einer Hyperopie und schulischen Leistungen suchten. Von insgesamt 3.415 gefundenen Studien erfüllten 21 Beobachtungs- und vier Interventionsstudien die Einschlusskriterien. Vollständige randomisierte Studien waren nicht darunter. Metaanalysen von fünf Studien ergaben einen kleinen, aber signifikanten negativen Effekt auf die schulischen Leistungen bei unkorrigierten hyperopen Kindern im Vergleich zu emmetropen Kindern [p < 0,001 (4 Studien)]. Ein mäßiger negativer Effekt betraf die Lesefähigkeit unkorrigierter hyperoper Kinder im Vergleich zu emmetropen Kindern [p = 0,036 (3 Studien)]. Des Weiteren war die Lesefähigkeit bei hyperopen Kindern signifikant schlechter als bei myopen Kindern [p < 0,001 (1 Studie)]. Eine qualitative Analyse von zehn (52,6 %) der 19 von der Meta-Analyse ausgeschlossenen Studien ergab einen signifikanten (p < 0,05) Zusammenhang zwischen unkorrigierter Hyperopie und schlechteren schulischen Leistungen. In zwei Interventionsstudien wurde festgestellt, dass eine hyperope Brillenkorrektion die Lesegeschwindigkeit signifikant verbessert (p < 0,05). Die Aussagen des Literatur-Review und der Metaanalyse deuten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einer unkorrigierten Hyperopie und reduzierten Schulleistungen hin. Dennoch folgern Mavi et al., dass in Anbetracht der Einschränkungen der derzeitigen aktuellen Forschungsmethoden weitere Untersuchungen erforderlich sind, um die Auswirkungen einer Hyperopie­korrektion auf die schulischen Leistungen zu bewerten. Die Ergebnisse der sehr aufwendigen Review-Arbeit und Metaanalyse zeigen einmal mehr die Problematik evidenzbasierter Forschung im Bereich des Verordnungsmanagements von Ametropien und deren Auswirkungen auf die visuelle Leistungsfähigkeit. Ein Grund hierfür liegt sicherlich in dem oft nicht einheitlichen Studiendesign und dies auch vor dem Hintergrund einer für solche Studien oft notwendigen Genehmigung durch eine Ethikkommission. Umso wichtiger sind die existierenden Empfehlungen und Leitlinien der Fachgesellschaften beider Eye-Care-Berufe, in welchen die klinischen Erfahrungen der Berufsangehörigen in mannigfaltiger Art kontinuierlich einfließen. Nicht ein gutes, sondern ein anstrengungsfreies Sehen sollte das Ziel jeder Sehhilfenverordnung sein.


Literatur

Mavi, S., Chan, V. F., Virgili, G., Biagini, I., Congdon, N., Piyasena, P., Yong, A. C., Ciner, E. B., Kulp, M. T., Candy, T. R., Collins, M., Bastawrous, A., Morjaria, P., Watts, E., Masiwa, L. E., Kumora, C., Moore, B., Little, J. A. (2022). The Impact of Hyperopia on Academic Performance Among Children: A Systematic Review. Asia Pac. J. Ophthalmol. (Phila).,20, 11, 36-51.